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Dr. h.c. Wolfgang Wagner – Bayreuth (Oberfranken)

Auszeichnung: 1994 – Neudrossenfeld

Laudatio

Wer Wolfgang Wagner würdigen will, wohl wäg’ er die Worte.

Tritt er doch damit, ob er es will oder nicht, in Konkurrenz zu dem Tross derer, die das Wirken des Festspielleiters und Regisseurs, des Organisations- und Finanzgenies, des Künstlers, Schriftstellers, Wissenschaftlers – und was noch? – Dr. phil. h.c. Manfred Wolfgang Martin Wagner so oder so begleiten. Ihre Zahl ist Legion, ihre Artenvielfalt beeindruckend; die Auswirkungen ihres Tuns sind schwer berechenbar.

Diese Unwägbarkeiten und der Anlass unserer Feier lassen es deshalb klug erscheinen, die Laudatio auf das zu beschränken, was an Wolfgang Wagner fränkisch ist und »gewürfelt«, nach dem Motto: »Sich wenden, sich drehen, im Leben bestehen« – wenn sich das auch, wie jeder einsehen wird, von all dem andern keineswegs reinlich trennen lässt.

Mit seinem dritten Vornamen Martin, dem Namen des großen Frankenheiligen, wurde Wolfgang Wagner das Fränkische bereits in die Wiege gelegt. Und so findet man bei Wolfgang Wagner die drei großen W, mit denen der Schriftsteller Hans Max von Aufseß den Charakter des typischen Franken beschreibt:

Das Wendige, das Witzige und das Widersprüchliche!

Das ist aber nicht alles:
Man hört ihn auch, den Franken – und das deutlich. Wolfgang Wagner, der Weltbürger und Bayreuther, sprach nach eigenem Bekunden als Kind einen »geradezu verbotenen « Dialekt, so dass ihm der Vater Siegfried für den Fall einer Universitätsgründung in Bayreuth den Lehrstuhl für Oberfränkisch verheißen haben soll.

Bayreutherisch zu denken und zu sprechen gehört für ihn zur Natur. Auf die Frage des Sängers des Wotan, wie er seine Rolle anlegen solle, antwortete er einmal: »A weng geddlich«.

Unverkennbar auch seine häufig eingestreuten »nä«-Laute, mit denen er seine in Quasi-Hochdeutsch gehaltenen öffentlichen Reden und Vorträge zuweilen unterbricht und mit denen er die Zustimmung seines Publikums, seien es Festspielgäste, Künstler oder Pressevertreter, sucht und auch meist erlangt.

Wolfgang Wagner, der zusammen mit seinem Bruder Wieland das Festspielhaus von der Weihestätte zur Werkstatt wandelte, der seit nunmehr 28 Jahren die Bayreuther Festspiele allein leitet, hat seine Wendigkeit in den unterschiedlichen Zeitläufen immer neu bewiesen.

Dreh- und Angelpunkt seines Denkens und Handelns ist es, die Festspiele und ihre Weltgeltung zu erhalten. Und so sind auch Existenz und Geschichte der Bayreuther Festspiele mit seiner eigenen Lebensgeschichte untrennbar verbunden. Das Wendige zeigt der Gewürfelte dabei vor allem in seiner Verhandlungstaktik. Wenn er etwas durchsetzen will, ist er von unglaublicher Zähigkeit. Bei Verhandlungen mit Künstlern, Technikern, aber auch mit Zuschussgebern, zieht er nur selten den Kürzeren.

Und bei alledem ist er ein Mensch, dem es an Witz, an Spontanität und Einfallsreichtum nicht fehlt. Guiseppe Sinopoli weist er beim Festkonzert des Festspielorchesters in der Oberfrankenhalle seinen Stuhl, hängt ihm sein Jackett – samt Brieftasche – um und setzt sich selbst hemdsärmelig auf das schmale Treppchen beim Bühnenaufgang, als sei’s die normalste Sache der Welt.

Für seine Mitarbeiter, den Techniker wie den Tenor, ist er Vater und Mutter zugleich, immer ansprechbar und mit Leistungen parat, wenn es irgendwo klemmt.

Den typischen Charme des bekennenden Oberfranken zeigt er, wenn er hinter dem Vorhang den Kniefall vor den Debütanten übt, während vor dem Vorhang im Publikum der Meinungsstreit über die Rheingoldpremiere mit Buhs und Beifall ausgetragen wird.

Und es kommt noch handfester: Es ist ruchbar geworden, dass sich der Festspielleiter einst in einer »Meistersinger«-Aufführung in der Prügelszene unters Volks gemischt und dazu nicht nur das Nachthemd, sondern auch höchstpersönlich mit Hand angelegt hat.

Und wie der Würfel, so hat auch Wolfgang Wagner wahrhaftig mancherlei Ecken und Kanten. Nie geht er den Weg des geringsten Widerstandes.

Wolfgang Wagner, der Wendige, der Witzige und der Widersprüchliche!

Manchmal neckt er uns mit Rätseln, wie ein- oder vieldeutig er es wohl meint. So wie etwa bei der Hundertjahrfeier im Festspielhaus mit seiner kurzen und bündigen Einladung zur Festwiese.

Und so soll wohl auch meine Laudatio jetzt zum Ende kommen.

Dr. ERICH HANIEL
Regierungspräsident von Oberfranken