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Volker Heißmann – Fürth (Mittelfranken)

Auszeichnung: 2004 – Colmberg

Laudatio

Nach meinen beiden Kollegen aus Ober- und Unterfranken geht es jetzt mit dem Frankenwürfel nach Mittelfranken. Es ist nun meine Aufgabe, Ihnen zwei Persönlichkeiten näher zu bringen, die längst jedem bekannt sind, deren schauspielerische Wendigkeit, deren sprachlicher Witz und schrägcomödiantische Widersprüchlichkeit schon seit Jahren zum festen und besten Bestandteil dieser Szene in Deutschland gehören, die in den letzten Jahren in ungezählten Theatern und Hallen der ganzen Republik gastiert haben und die demnächst in der Münchner Olympiahalle auch unsere Brüder und Schwestern südlich des Weißwurstäquators das Lachen lehren werden.

Sie sind Comödianten, Schauspieler, Sänger, Entertainer, Kabarettisten, nebenbei auch Unternehmer und Filmemacher und das alles auf eine unnachahmliche und unbeschreibliche und zu tiefst fränkische Art und Weise. Es geht also um die beiden Neugewürfelten Volker Heißmann und Martin Rassau, die sich inzwischen als Waltraud und Mariechen schon so weit nach oben gearbeitet haben, dass selbst dieses ritterliche Ambiente der Burg Colmberg, diese virtuelle »hall of fame« des Frankenwürfels, eigentlich schon viel zu klein für sie geworden ist. Wie nähert man sich also diesen Beiden im Grunde Unbeschreibbaren, wie kann man den Versuch unternehmen, ihrer unglaublichen Vielseitigkeit sprachlich gerecht zu werden?

Vielleicht muss man zunächst das tun, was die Beiden auch taten: bescheiden anfangen und bei ihren Wurzeln beginnen. Und diese Wurzeln liegen in der Stadt Fürth, sie sind echte, unverwechselbare Fürther Gewächse: Geboren vor rund 3 1/2 Jahrzehnten in Fürth, aufgewachsen in Fürth, wohnhaft in Fürth. Beide haben die Hans-Böckler- Realschule – natürlich in Fürth – besucht. Ich betone: »Beide« – denn gemeinsam kann man nicht sagen, denn beide betrachteten sich zunächst – von unterschiedlichen Theatergruppen aus – als Konkurrenten. Und leiden, nein leiden konnten sie sich nach eigenem Bekunden auch nicht.

Auch später nicht, als sie sich – getrennt – als Entertainer versuchten und sich gegenseitig die Werbeplakate von den Wänden gerissen haben sollen. Wen wundert’s da, dass keinem von beiden eine glanzvolle Solokarriere beschieden war, als Alleinunterhalter, Sänger oder gar als Butler zum Mieten (für 150,00 DM machte Martin Rassau die Honneurs vor dem Standesamt). Und der eigentlich erlernte »solide« Beruf, Volker Heißmann ist Hotelkaufmann, Martin Rassau Pharmakaufmann, war andererseits zu wenig reizvoll, denn die Bühne hatte beide schon in ihren Bann gezogen.

Diese gemeinsame Leidenschaft war es wohl auch, die sie 1990 zusammenführte und einen Verein gründen ließ zur Rettung des Berolzheimerianums, eines unter Stiftungsaufsicht stehenden Kulturhauses in Fürth, in dem beide schon oft auf der Bühne standen.

Die erste gemeinsame Premiere stieg am 8. Mai 1991, allerdings im Keller der Mauthalle in Fürths so heiß geliebter Nachbarstadt Nürnberg. Der Durchbruch gelang dann mit der Weihnachtsrevue 1991, die in der Adventszeit einen ähnlichen Kultstatus erreichte wie sonst nur das »Dinner for One« an Silvester.

Mit dem Umzug von der Mauthalle in das Stadtpark-Restaurant in Nürnberg wurde dann aus dem Geheimtipp langsam, aber unaufhörlich eine fränkische Erfolgsbühne. Kamen anfangs durchschnittlich 20 bis 40 Zuschauer, jeder Einzelne von den Künstlern per Handschlag begrüßt, verfolgten ein Jahrzehnt später schon rund 180.000 Zuschauer jährlich ihr Programm.

Waltraud und Mariechen alias Volker Heißmann und Martin Rassau erlebten mit fränkischem Witz einen bundesweiten Siegeszug: Ob die Comödianten im Zirkus Krone in München auftreten, in der Liederhalle in Stuttgart oder im Hamburger Ohnsorg- Theater – immer sind die Vorstellungen total ausverkauft. Kürzlich gelang es ihnen sogar, den fränkischen Frohsinn in die Bundeshauptstadt zu tragen. Bei dem ARD-Kabarett- Preis-Finale in Berlin wurden die »Preußischen Publikumslieblinge des Jahres « sogar Vizemeister. Und für diese Verbreitung fränkischen Humors erhielten Volker Heißmann und Martin Rassau zu Jahresbeginn auch den Wolfram-von-Eschenbach- Minnesänger-Orden.

Wie kam es zu dieser Erfolgsgeschichte, zu diesem »Markenzeichen für Franken, wie es singt und lacht«? Vielleicht entdeckten beide 1990 eine Marktlücke, vielleicht lag und liegt fränkischer Frohsinn auch besonders im Trend. In jedem Fall aber ist unheimlicher Fleiß eine wesentliche Komponente ihres Erfolges: 360 mal im Jahr stehen beide auf der Bühne, Krankheiten gibt es keine: »Wir spielen uns gesund« sagt Volker Heißmann, der sogar schon einmal mit einer Nierenkolik auf der Bühne stand. Hinzu kommt, was jeder weiß, der sie schon einmal auf der Bühne erlebt hat: Sie sind in ihrem Komiker-Fach natürlich auch unbeschreiblich gut. Mit Spielfreude und großem Improvisationstalent entwickeln sie aus ganz banalen und vertrauten Alltagsgeschichten ihre ganz eigenen schrägen und verrückt wirkenden Szenen: Das Rezept dabei lautet: Das Wesentliche meiden, die Nebensächlichkeiten ins Zentrum rücken, das Nichts zum Alles erheben, dem Volk nicht nur in die Seele blicken, sondern vor allem auch »aufs Maul«, Dialektausdrücke sitzen, mit einem Wort wird ausgedrückt, wofür die Hochsprache Sätze, wenn nicht gar Absätze bräuchte. Das, was sie den Zuschauern zeigen, soll ein Spiegel sein: Aber einer, in dem sich die Leute nicht selbst erkennen, sondern höchstens ihre Nachbarn«.

Neben der künstlerischen Kreativität ist diese fränkische Erfolgsgeschichte aber auch von der Geschäftstüchtigkeit der beiden gelernten Kaufleute geprägt. 1998 investierten sie 4 Mio. DM in die Generalsanierung des Berolzheimerianums, das sie 20 Jahre als ihre »Comödie« mietfrei bewirtschaften dürfen.

Ohne einen Cent staatlicher Subvention, nicht einmal mit dem Titel »staatliche Kammer- Komiker« versehen, aber bei knapp 90% Auslastung der Comödie, beschäftigen sie inzwischen rund 40 Mitarbeiter, Aushilfskräfte nicht mitgerechnet. Eigene Rundfunk- und Fernsehsendungen, ein Kinofilm (»6 auf See«) sowie Video-, CD- und Buchproduktionen runden das unternehmerische Wirken ab.

Die CD »Blouss dasd wos sagsd« errang letztes Jahr in kürzester Zeit den 6. Platz (vor Paul Mc Cartney und Madonna). Selbstkritische künstlerische Bescheidenheit einerseits, mutige unternehmerische Geschäftstüchtigkeit andererseits – ein Widerspruch in sich? Wie dem auch sei – ein erfolgreicher allemal!

Unternehmerischen Weitblick und Wendigkeit beweisen Volker Heißmann und Martin Rassau auch dadurch, dass sie nicht nur als Duo, sondern auch immer wieder einzeln oder zusammen mit anderen Künstlern auftreten. Während der eine »Heißmanns heißen Broadwourscht Broadway« präsentiert, bringt der andere schrille Comedy- Action mit dem Titel »Grimms Gschmarri Gschichtn« auf die Bühne. »Wir wollen vermeiden«, erklärt Martin Rassau, »dass die Leute eines Tages sagen: Die zwaa Gsichder kemmer nimmer sehn.« Angesichts der gewaltigen Publikumsgunst sicher eine weit hergeholte Befürchtung. Realistischer erscheint da schon der größte Wunsch der zwei, den Volker Heißmann einmal so umschrieben hat: »Gesund bleiben und mit 100 Jahren noch mit Martin auf der Bühne stehen (der ist dann 102)«!

Wer so witzig, wendig und auch widersprüchlich ist, wer zum Markenzeichen für fränkischen Frohsinn geworden ist, der hat sich den Frankenwürfel – schon weit vor dem 100-jährigen Bühnenjubiläum – redlich verdient.

Herzlich willkommen, Volker Heißmann und Martin Rassau, im Kreise der Gewürfelten!

Anmerkung:

Der zu erwartende Kommentar der Neugewürfelten auf die Laudatio des Regierungspräsidenten lautet: »Blouss dasd wos sagsd«.

KARL INHOFER
Regierungspräsident von Mittelfranken