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Peter Kuhn – Oberwerrn (Unterfranken)

Auszeichnung: 2009 – Kleinlosnitz

Laudatio

Hallo, Grüß Gott und guten Morgen
bis heute war er noch verborgen
doch bald wird man ihn interviewen
den Preisträger von heute Peter Kuhn

Selten hat das Datum der Preisverleihung zu einem Preisträger so gut gepasst wie dieses Jahr. Peter Kuhn ist so vielseitig wie der Würfel, so fränkisch wie der Rechen und wie der Würfel, ausgestattet mit jeder Menge an Ecken, Kanten und feinen Spitzen.

Was ihn dazu so einzigartig macht, ist, dass er diese Eigenschaften in einem Genre zeigt, in dem es der Laie nicht unbedingt erwartet. Allseits bekannt ist der »gelernte Erzieher « in erster Linie als Büttenredner und durch seine exzellenten Fernsehauftritte in der Sendung »Fastnacht in Franken«. Peter Kuhn aber nur als Fastnachter zu bezeichnen, würde diesem umfassend engagierten Franken nicht gerecht.

Die Zahl 11 prägt sein Leben tatsächlich und im übertragenen Sinne.

Geboren am 22. (2×11) 11. 1962 in Bad Mergentheim als ältestes von vier Kindern, verschlug ihn das Schicksal 1972 nach dem Tod des Vaters in die Heimat der Mutter, nach Oberwerrn bei Schweinfurt. Bereits seit seiner Schulzeit versucht er sich an humoristischen Gedichten. Heinz Erhardt war dabei sein großes Vorbild, dessen Wortwitz und lautmalerischer Stil ihn früh faszinierte. Doch noch konkurrierten die verschiedensten Musen um seine Gunst. Da waren die Malerei und die bildende Kunst. Diese hatten es ihm angetan, als er 1982 am Alexander- von-Humboldt-Gymnasium in Schweinfurt sein Abitur im Leistungskurs Kunst absolvierte.

Noch heute gibt es an dieser Schule ein Wandbild mit seiner Signatur, vermutlich wird es durch die heutige Auszeichnung deutlich an Wert gewinnen! Und falls es doch in einem Wahn von Renovierungsarbeiten übertüncht wurde, bin ich sicher, dass Denkmalschützer und Kunstforscher es bald schon wieder freilegen werden.

Dann war da noch die Schauspielerei. Theater, schlicht Entertainment in all seinen Facetten begeisterte ihn schon immer. Der beruflichen Huldigung dieser Passion wurde allerdings jäh ein Knüppel zwischen die Beine geworfen. Den Bewerbungen, mit Vorsprechen an verschiedenen staatlichen Schauspielschulen, folgten durchwegs Absagen. Zwar jeweils mit unterschiedlichen Begründungen, doch hinreichend, um ihn von dieser Bahn – zunächst – abzubringen.

Er machte eine Ausbildung an der Fachakademie für Sozialpädagogik zum staatlich anerkannten Erzieher und ist seit 1989 in der Jugendhilfeeinrichtung »Haus Marienthal « in Schweinfurt tätig. Keine leichte Aufgabe, aber eben eine Tätigkeit, der er sich mit viel Freude und Engagement widmet. So wie er alles, was er macht, mit ganzem Herzen ohne wenn und aber, verlässlich durchführt. Wie eben der Franke zu sagen pflegt: »Wenn scho’, dann g’scheit!«

Eine Begebenheit, die seinem linearen Lebenslauf eine exponentiell positive Wende bescherte, war das Zusammentreffen von Peter Kuhn und einer Muse, die ein wenig im Schatten der neun klassischen Musen steht, nämlich der Fastnacht. Dass sich Peter Kuhn für gerade diese begeistern konnte, lag wohl mit daran, dass diese in ihrem besten Kleid und attraktiv wie kaum anderswo in Form der Fastnachtsgesellschaft »Schwarze Elf« aus Schweinfurt daher kam. Hier wird nämlich noch fastnachtliches Brauchtum in seiner besten Form gepflegt. Man legt hier viel Wert auf niveauvolle Beiträge ohne zotige Anhängsel. Es gilt der Grundsatz, dass nur selbst verfasste Stücke dargeboten werden, von eigenen Aktiven. Das kritische, närrische Wort, das eulenspiegelsche Spiegel-Vorhalten, die heitere Volksironie werden hier nicht nur gepflegt, sie sind hier Programm. Mit jährlich rund 5000 ! Zuschauern in ihren Prunksitzungen ist diese Fastnachtsgesellschaft der Schweinfurter Kolpingsfamilie sicherlich gleichermaßen ein Unikat wie der Ausgezeichnete selbst.

Doch die ersten Kontakte zwischen Peter Kuhn und der »Schwarzen Elf« waren noch zaghaft. Ein gegenseitiges Beschnuppern in Vorstandssitzungen und diversen Besprechungen, ließen auf beiden Seiten noch keine rechte Begeisterung aufkommen. Doch, so ist er nun mal der Franke, vorsichtig in seinem Urteil, und nicht der Typ, der mit lautem Hurra jedes Neuland erstürmt, nur um hinterher wieder den Rückzug anzutreten. So kam es, dass Peter Kuhn seinem ersten Auftritt mit gemischten Gefühlen entgegen sah und es mit dem Gedanken »Jetzt hast du schon mal zugesagt, jetzt musst du da auch durch!« keineswegs als dauerhafte Einrichtung in seinem Leben sah. Seine Premiere auf der Bühne der »Schwarzen Elf« hatte Peter Kuhn am 11.01.91 (wieder mal ein Elfter). Doch spätestens ab diesem Moment war das Eis gebrochen. Seine erste Büttenrede »Schlaflose Nächte« als schlafgestörter Jüngling, gespickt mit Bonmots und lustigen Einfällen, führte zu minutenlangem Applaus und brachte die Presse dazu zu titeln »Ein neuer Stern am Narrenhimmel«.

Dennoch, dass er den harten Kriterien eines gewürfelten Franken, wendig – witzig – widersprüchlich, tatsächlich standhalten kann, gilt es nun zu belegen.

In Bad Mergentheim geboren, ist er ein sogenannter Tauberfranke, aber mit Gewissheit kein »tauber« Franke – denn Peter Kuhn hört zu, hört hin und greift dann das Gehörte auf, die Themen, die die Menschen bewegen. Aber Obacht: Auch hier muss man wieder, wie ständig bei ihm, auf die Nuancen achten, denn:

Er schaut dem Volk durchaus auf’s Maul, aber er redet ihm nicht nach dem Mund! Auch hier bewegt er sich gegen den Zeitgeist. Schnellen Erfolg heischen durch Aufspringen auf eine Woge von Stammtischplatitüden, ist nicht seine Art. Was Peter Kuhn erreichen will, ist eher ein nachhaltiger Erfolg, und dies in zweierlei Hinsicht.

Zum einen sind seine Reden so gespickt mit Anspielungen, verstecktem Wortwitz und hintergründigem Humor, dass man durchaus mehrere Male zuhören kann, ohne in Langeweile zu versinken. Ständig entdeckt man Neues darin.

Zum anderen nachhaltig in dem Sinne, dass er auch gezielt ein Stück Bewusstseinsänderung beim Zuhörer provoziert. Dies erreicht er oft schon durch die Figuren, die Charaktere, die er sich für seine Reden aussucht. Bestes Beispiel hierfür ist das Jahr 2002 mit seiner Rede als »Tunte«, mit der eine Lanze bricht für mehr Toleranz in der Gesellschaft. Außerdem behandelt er Themen in der Fastnacht, die niemand sonst sich traut aufzugreifen, wie gerade auch in dem genannten Jahr die Ereignisse des 11. September. Hier beweist er wieder einmal fränkische Tugend: Geradeheraus, offen, ohne einen Bogen um’s Heikle zu machen. Freilich wird dies gerade im Fasching wenig praktiziert, weil es wenige gibt, die sich trauen, und noch weniger, die, wenn sie sich trauen, auch fähig sind, es gut zu machen.

Peter Kuhn hat beides, Mut und Fähigkeiten!!

Dabei zeigt er zwar wie der Würfel, Ecken und Kanten, doch sind seine Ecken und Spitzen nie verletzend. Er sagt es allen, er sagt es deutlich, er sagt es mit Witz, aber sein Witz, sein Humor geht nie auf Kosten anderer.

Widersprüchlich wie alle echten Franken, ist auch Peter Kuhn. So ist er mit Fug und Recht bescheiden zu nennen, er macht kein großes Aufheben um sich und seine Person. Andererseits liegt es ihm auch nicht, sein Licht unter den Scheffel zu stellen. Will heißen, er drängt sich nicht in den Vordergrund, aber bringt sich, wenn gefordert, voll und ganz und selbstbewusst ein. Und dazu hat er auch allen Grund. Peter Kuhn trägt die fränkische Fastnacht, trägt den Ruf Frankens weit über unsere Grenzen hinaus. Er macht deutlich, dass die Franken alles können, und zwar im Gegensatz zu anderen deutschen Volksstämmen, inklusive Hochdeutsch!

Dabei darf man nicht der Versuchung verfallen, Peter Kuhn nur auf die Fastnacht zu beschränken.

Der Schauspieler Peter Kuhn ist in seinem Oberwerrner Amateurtheater die »Junge Oberwerrner Bühne« nicht nur Produzent, Vorstand, Bühnenbildner und Regisseur. Nein, er bringt sich auch auf überörtlicher Ebene als stellvertretender Vorsitzender im Verband der Nordbayerischen Amateurtheater ein.

Gleiches gilt für seine »Schwarze Elf«, in der er als Beisitzer in der Vorstandschaft tätig ist, oder für den Fastnachtverband Franken, wo er als Dozent bei Büttenrednerschulungen sein Wissen bereitwillig weiter gibt.

Vor etwa 500 Jahren gab es in Nürnberg einen Franken, der den Würfel auch verdient hätte, einen Schuhmacher namens Hans Sachs. Dieser hat das damalige Fastnachtsspiel aus seiner derben Rohheit herausgeholt und zur literarischen Gattung erhoben, dadurch, dass er das ganze einer sprachlichen Disziplin und einem selbstgegebenen sittlichen und moralischen Anspruch unterworfen hat.

Peter Kuhn tut ähnliches in der heutigen Zeit. Er macht etwas, was selten geworden ist im schnelllebigen Medienzeitalter: Er nimmt sein Publikum ernst. Er fordert, er verlangt, er beansprucht sein Publikum voll und ganz, er verlangt dem Zuhörer einiges ab und – erstaunlicherweise – keiner ist ihm böse. Im Gegenteil, er kommt bestens an, denn er schenkt dadurch auf der anderen Seite geistreiche und niveauvolle Unterhaltung, wie sie nicht nur in der karnevalistischen Unterhaltungsbranche selten geworden ist.

Peter Kuhn, ein Franke, ein gewürfelter, ein verwurzelter, ein witzig moralisierender, ein verlässlicher, ein provozierender und doch nicht verletzender Zeitgenosse, kurzum ein würdiger Träger des Frankenwürfels 2009!

DR. PAUL BEINHOFER
Regierungspräsident von Unterfranken