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Edgar Sitzmann – Bamberg (Oberfranken)

Auszeichnung: 2003 – Gottsmannsgrün

Laudatio

Über den oberfränkischen Gewürfelten des Jahres 2003 wurde in den vergangenen 33 Jahren viel berichtet und wir kennen ihn in Oberfranken und weit darüber hinaus als einen, der in vielerlei Hinsicht richtungsweisend für seine Region und die dort lebenden Menschen gewirkt hat. Gerade in den vergangenen Wochen, nämlich im Zusammenhang mit seinem Abschied von der politischen Bühne Oberfrankens, wurden die drei Jahrzehnte seines Wirkens wieder unmittelbar lebendig: Wie kaum ein Zweiter hat er sich Oberfranken verschrieben und hat mit Charme, mit klaren Vorstellungen und Worten, wohl aber zuallererst mit Herz und Verstand Großes geleistet. Als einen Mann von hartnäckiger Sachkunde, der sowohl im sozialen als auch im kulturellen Bereich vieles angestoßen und vollendet hat, bezeichnete ihn Staatsminister Dr. Beckstein und betonte, dass es schwer fallen werde, sich ihn aus dem oberfränkischen politischen Geschehen wegzudenken. Damit sprach der Minister vielen von uns aus dem Herzen.

Meine Damen und Herren, die Rede ist von Herrn Bezirkstagspräsidenten a.D. Edgar Sitzmann, und unzählige Menschen und Medien ließen sich heute zitieren, die Ihnen, verehrter Herr Sitzmann, in Veröffentlichungen und Reden für Ihr Lebenswerk dankten. Lassen Sie mich es auf den Nenner bringen, in dem sich alle einig sind: Sie waren und sind ein Glücksfall für unsere Region!

Aber dennoch, etwas fehlte in all den Würdigungen Ihrer Arbeit: Das, worauf es bei einem echten Franken wirklich ankommt. Wir haben es heute schon mehrmals gehört und können es in dem Essayband des fränkischen Literaten Hans Max von Aufseß jederzeit nachlesen: Der Franke ist ein Gewürfelter und vereinigt die drei »W’s«, d.h. das Wendige, das Witzige und das Widersprüchliche in einer Person.

Was zeichnet die Wendigkeit aus?

Um es modern auszudrücken: Es ist eine gehörige Portion Flexibilität nötig, um heute gesellschaftlicher Verantwortung gerecht zu werden. Das Gewöhnliche führt immer zum Stillstand und nur derjenige, der Außergewöhnliches, d.h. über das normale Maß hinausgehende Fähigkeiten in jede Richtung entwickelt, kann zur treibenden Kraft, zum »High Potential« werden.

Dass den Bezirken bereits von Gesetzes wegen die Erfüllung essenzieller und vielgestaltiger Bereiche des Lebens und des Zusammenlebens aufgetragen sind, sagt hierbei nur wenig aus. Denn was eine Arbeit richtig erfolgreich macht, sind immer erst die handelnden Menschen.

Lieber Herr Sitzmann, Ihre offene Herzlichkeit konnte einen leicht vergessen lassen, dass Sie Politiker waren, dass Sie mit Mehrheiten gestalten wollten und dass Sie deshalb oft genug nicht wetterwendisch, aber wendig sein mussten.

Beispiel Soziales: Nah dran an den Menschen und ihren Sorgen war Ihnen die Fürsorge für Schwache stets eine persönliche Verpflichtung. Oberfranken kann sich, was seine Ausstattung an klinischen und ambulanten sozialen Einrichtungen angeht, in jeder Hinsicht mit den anderen bayerischen Bezirken vergleichen. Fördern, Heilen und Pflegen – echte Sorge um die Mitmenschen stand bei Ihnen immer im Vordergrund.

Sie haben als wendiger Oberfranke aber nicht nur dafür gesorgt, dass unsere Region innerhalb Bayerns gut dasteht, sondern bereits sehr früh erkannt, dass Politik, richtig verstanden, bedeutet, Aktivitäten nicht nur auf seinen eigenen Standort zu konzentrieren, sondern auch weit darüber hinaus zu greifen, um dort wo nötig zu helfen, aber auch, um voneinander zu lernen. Ich darf hier nur beispielhaft die Partnerschaften des Bezirks Oberfranken mit Lettland und mit Transkarpatien in der Ukraine nennen. Die sehr eindrucksvolle und von menschlicher Wärme geprägte Rede des Herrn Prof. Caune vom Zentrum für Psychiatrie in Riga anlässlich Ihres Abschieds warf besondere Schlaglichter auf Ihr segensreiches Wirken außerhalb der oberfränkischen Grenzen. Dass Sie im Rahmen Ihrer vielfältigen Auslandskontakte wesentlich dazu beigetragen haben, den Standort Oberfranken sozusagen weltberühmt zu machen, steht außer Zweifel und ist gerade im Zeitalter der Globalisierung von nachhaltigem Wert.

Das Witzige?
Als Kommunalpolitiker, der wie Sie für ganz Oberfranken zuständig war, braucht man neben dem kommunalen Verständnis, neben den guten Kontakten und persönlichem Engagement sowie Durchsetzungsvermögen aber ein weiteres unentbehrliches Handwerkszeug: Man muss ein nicht unerhebliches Maß an Witz besitzen. Witz sicher im Sinne von Gewitztheit, ohne die manch schwierige Verhandlung nicht zu meistern wäre. Aber auch Sprachwitz und -verständnis sind vonnöten, denn um die unzähligen oberfränkischen Nuancierungen der Sprache und das, was im Einzelfall mit einem Ausdruck gemeint ist, zu verstehen, muss man schon genau hinhören können. Schließlich geht es darum, im Dialog Konsens und Ausgleich zu schaffen, alle glücklich zu machen. Dies ist sicher mit die größte Herausforderung innerhalb einer funktionierenden Gebietskörperschaft, die Sie in der Ihnen eigenen offenen Art perfekt gemeistert haben, weil es Ihnen immer wichtig war, das Verbindende zu betonen. Die Art und Weise, wie Sie immer wieder zwischen der »Amtssprache« und zahlreichen pointierten, mit Bamberger Dialekt gefärbten Bemerkungen wechselten, dokumentierte darüber hinaus immer schon Ihren Sprachwitz und das untrügliche Gespür für Situationen. Als Lehrer und Rektor haben Sie aber auch viel trainieren können.

Dank dieser Eigenschaften konnten Sie auch als weitblickender Förderer der regionalen Kunst und Kultur – vieles wäre ohne persönlichen Einsatz des Bezirkstagspräsidenten sicher nicht möglich gewesen (Beispiel: Ihr Einsatz für den Fortbestand der Bamberger Symphoniker) – viel zum kulturellen Selbstbewusstsein Oberfrankens beitragen.

Ihre Widersprüchlichkeit?
Heimatverbundenheit ohne Heimattümelei, Festhalten an alten Werten, ohne sich dem Neuen zu verschließen, Leidenschaft und Professionalität, Vater eines Mutterkuhstalls und Hausherr im kulturvollen Haus Marteau in Lichtenberg – wie geht das zusammen? Ist das nicht häufig zu widersprüchlich? Nicht für den gewürfelten Franken, in dem sich solche Bilder und Fähigkeiten auf höchst individuelle Weise verbinden und der wendig und erfrischend unkompliziert solchen Gegensätzen eine neue Gestalt gibt, um noch unbeschrittene, spannende Wege zu gehen und die Dinge voran zu bringen.

Lieber Herr Sitzmann, verehrte Anwesende, vieles müsste ich hier noch ergänzen, um die Leistungen von Edgar Sitzmann und damit auch seine drei besonderen Würfelseiten nur annähernd beschreiben zu können. Ich fürchte jedoch, dann würde unsere Gans kalt, und das wäre nicht witzig!

Festzuhalten ist aber: Sie sind ein ganz besonderer Repräsentant Oberfrankens und für ganz besondere Menschen braucht es auch besondere Auszeichnungen. Ich freue mich deshalb, Ihnen heute den Frankenwürfel 2003 für Oberfranken überreichen zu dürfen und heiße Sie herzlich im Kreis der gewürfelten Franken willkommen.

HANS ANGERER
Regierungspräsident von Oberfranken