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Walter Tausendpfund – Pegnitz (Oberfranken)

Auszeichnung: 2008 – Zeilitzheim

Laudatio

Als wir vor ein paar Wochen anlässlich unseres Tags der offenen Tür in der Regierung eine kleine Ordensausstellung präsentierten, da standen die Besucher neugierig vor der Vitrine mit dem Frankenwürfel und studierten eifrig die Liste der bisherigen Preisträger, bis die allermeisten zufrieden nickend mit der kürzest möglichen aller fränkischen Anerkennungsformeln feststellten: »Des bassd scho!«

Die drei fränkischen Regierungspräsidenten widmen der Auswahl ihrer neuen Würfelträger Jahr für Jahr größte Sorgfalt, um dem Urteil dieser kritischen und fachkundigen Jury standzuhalten. Denn neben der vielzitierten Wendigkeit, Witzigkeit und Widersprüchlichkeit, die der Frankendichter Hans Max von Aufseß dem typischen Franken mit auf den Weg gibt, schätzen es die »Mitfranken« besonders, wenn der neue Gewürfelte einer aus ihrer Mitte ist, der ihre Befindlichkeiten kennt, der ihnen aufs Maul schaut, auch einmal die Wahrheit sagt, aber ohne sie zu verletzen, und schließlich auch einer, der sich selber nicht so furchtbar ernst und wichtig nimmt.

Genau so einer ist Walter Tausendpfund, der oberfränkische Frankenwürfelträger des Jahres 2008, den ich hiermit noch einmal herzlich grüße und willkommen heiße.

Der Name lässt Gewichtiges erwarten und verführt naturgemäß zu allerlei Wortspielen – Sie mögen es mir verzeihen. Da wird man schon einmal gefragt, wie denn der diesjährige oberfränkische Gewürfelte eigentlich mit richtigem Namen heißt – bei Tausendpfund könne es sich doch bestimmt nur um einen Künstlernamen handeln. Und vom Tausendpfund ist es auch nicht weit zum Tausendsassa, denn so einer ist er zweifellos: Lehrer und Dichter, Lyriker und Heimatforscher, Theaterschreiber und Kulturreferent, Projektleiter und Rundfunkredner, Bratwurstesser und Kirschbaumphilosoph. Die Liste ließe sich noch bis ins Tausendste fortsetzen, doch nähern wir uns dem neuen Frankenwürfelträger erst einmal biographisch.

Im mittelfränkischen Allersberg geboren und aufgewachsen ließ sich sein ursprünglicher Berufswunsch, als Forstbeamter in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, leider nicht verwirklichen. So studierte er, was ohnehin sein Hobby war, Germanistik und Geschichte, eigentlich mit dem Ziel, Journalist zu werden. Als Kind hatte es ihm nämlich mächtig imponiert, wie der Reporter von der Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung regelmäßig mit Bleistift und Notizblock bewaffnet seinen Vater aufsuchte, um ihn nach den Neuigkeiten aus dem Wald auszufragen. Den Traum vom Redakteur hat sich Walter Tausendpfund später durch die Hintertür immerhin doch noch erfüllt. Denn seit über 20 Jahren zeichnet er als Schriftleiter für die erfolgreiche Zeitschrift des Fränkische- Schweiz-Vereins verantwortlich. Um in der Chronologie zu bleiben: er entschied sich dann doch für eine Laufbahn als Gymnasiallehrer, die ihn 1973 nach Pegnitz führte, wo er auch privat seine neue oberfränkische Heimat fand.

Wer Walter Tausendpfund kennt, beschreibt ihn als ruhigen, besinnlichen, humorvollen und geselligen Menschen ohne Hektik und Unrast, der durchaus auch manch menschlichen Genüssen aufgeschlossen ist. »Der Pfund«, so nannten ihn seine Schüler voller Respekt und Anerkennung, und spielten damit nicht nur auf seine gestandene Statur an, sondern vor allem auf sein freundliches und kameradschaftliches Wesen, das ihn auch im übertragenen Wortsinn als »Pfundskerl« ausweist.

Als er nach Pegnitz kam, hatte er schon erste Gehversuche in hochdeutscher Prosa hinter sich, bevor er sich dann ganz und gar der fränkischen Lyrik verschrieb. Er liebt den Dialekt, mit dem man alles, was aus der Seele kommt, viel treffender ausdrücken kann als mit dem Hochdeutschen.

1974 macht Walter Tausendpfund die Schublade auf und beteiligt sich an der Aktion des Bayerischen Rundfunks »In der Sprache barfuß gehen«. Damit verschafft er sich große Beachtung weit über Franken hinaus. Das Markenzeichen seiner Dichtung ist der »gedehnte Blick«, ein gründliches und langes Begucken von Gewohnheiten und Absonderlichkeiten der fränkischen Art, mal ernst, mal heiter. Er feilt am Wort, seine eigentliche Kunst besteht im Weglassen. Die Weihnachtsgeschichte erzählt er auf fränkisch in gut 30 Worten und sagt damit trotzdem alles, was gesagt werden muss.

Mit alltäglichen Dingen und Begebenheiten geht er in die Tiefe, denkt nach über das Leben und Sterben und lässt mit überraschender Sprachkunst dem Zuhörer Platz für eigene Assoziationen und Gedankensprünge.

Seine Mundartgedichte strahlen vor subtiler Heiterkeit. Unvermittelt bringt er sein Publikum mit spannend vorgetragenen Gedichten zum Lachen und Nachdenken gleichermaßen.

Ab und an verlässt er die heiter-melancholische Welt der »Gensblümle« und »Kirschbäumle« und lässt den irdischen Genüssen seinen Raum, wenn er z.B. schildert, welche Freuden »Glööß« und Gänsebraten einem echten Franken bereiten können. Deshalb wird er sich in Zukunft am Martinstag im Kreise der Gewürfelten bestimmt immer recht wohl fühlen. Sogar ganz leidenschaftlich kann er werden: »Iich koos ned song / suu gfraid hob ich miich aaf diich / haid semme zamm, duu und iich / iich koos ned song, suu frai iich mich«.

Was als intime Liebeserklärung gelesen werden könnte, entpuppt sich schließlich als raffinierte Huldigung an die Bratwurst: »Iich mooch diich schee grobb, e wengle scharf, schee rösch«.

Neben der Bratwurst, den Klößen, dem Gänsebraten und der fränkisch-lyrischen Dichtkunst gilt seine große Liebe dem Fränkischen Mundarttheater. Inzwischen hat er schon eine ganze Reihe von Theaterstücken verfasst, z.B. »Der Ochsenwirt von Bethlehem «, »Der Zeiserlfang von Betzenstein«, »Kinder retten ihr Heiligenstadt« oder »1817«, mit dem das Schicksal armer jugendlicher Auswanderer im 19. Jahrhundert thematisiert wird.

Seine Stücke bewegen die Menschen und bringen ganze Städte zum Theaterspiel. Weil es um ihre Heimat geht und um ihre Geschichte, sind die Leute dabei – ob als Schauspieler oder als Publikum.

Mit dem Mundarttheater erreicht Walter Tausendpfund auch Menschen, die sonst nicht ins Theater gehen. Hier kann man sich schon einmal zwischendrin die Füße vertreten, einen Kaffee holen oder eine Bratwurst essen, ohne gleich die empörten Blicke der anderen Theaterbesucher auf sich zu ziehen.

Seit vielen Jahren engagiert sich Walter Tausendpfund für die Arbeitsgemeinschaft Mundart-Theater-Franken und organisiert den Oberfränkischen Mundart-Theater-Tag, ein wunderbares Forum für die Laienspieler und nicht nur Fachtagung, sondern eine feine Veranstaltung für jedermann.

Das Bild des neuen Frankenwürfelträgers bliebe höchst unvollständig, wenn man seine große Liebe zur Heimat unerwähnt ließe, wie sie vor allem durch sein Engagement im Fränkische-Schweiz-Verein zum Ausdruck kommt. Man kann sich den Fränkische- Schweiz-Verein ohne Walter Tausendpfund eigentlich gar nicht vorstellen.

Sein Amt als Schriftleiter der Vereinszeitung wurde eingangs bereits erwähnt. Er hat der Zeitschrift seinen Stempel aufgedrückt und ihr zu Sammlerwert verholfen.

Als Kulturausschussvorsitzender des Vereins ist er rastlos unterwegs, besonders die Jugendarbeit ist ihm wichtig, denn er sagt selber: »Wir brauchen Nachwuchs, wir werden alle Tage älter.«

Die Fränkische Schweiz ist ihm ein Schatz und ein Herzensanliegen, wobei er immer wieder beweist, dass sich Heimatpflege, Naturschutz und Fremdenverkehr sehr wohl miteinander vereinbaren lassen. Walter Tausendpfund kennt die Fränkische Schweiz wohl wie kein Zweiter und lässt nicht nach, diese herrliche Landschaft Einheimischen wie Besuchern einfühlsam und eindrücklich aufzuschließen.

Nicht zuletzt dank seines Drehbuches ist der Videofilm über die Fränkische Schweiz, über das Land der Burgen, Höhlen und Mühlen, zu einem wunderbaren Werk geworden. Sein Forscherdrang scheint unersättlich. An manchen seiner Themen hängen gut zehn Jahre Recherche. Er streift schon einmal einen ganzen Nachmittag kreuz und quer durch eine Ortschaft, um – kritisch beäugt von den Dorfbewohnern und von den Pfarrerskindern sogar für einen Bettler gehalten – etwas über einen zerstrittenen Stammtisch oder einen berühmten Altar zu erfahren.

Da braucht es viel an gewürfelter Zähigkeit und Wendigkeit, um nach stundenlangem Durchfragen und Herumsuchen vielleicht per Zufall doch noch des Rätsels Lösung zu finden.

Was ihn antreibt, das fasst er selbst in diese Worte: »Wir kurven in Vietnam herum, in Indien und im Himalaya, aber wir kennen nicht einmal die guten Sachen aus der eigenen Gegend.«

Walter Tausendpfund ist viel unterwegs und da waren wir froh, dass wir ihn überhaupt erreicht haben, um ihm zu sagen, dass er den Frankenwürfel bekommen soll.

»Wie Himmel und Hölle zugleich« hätte er sich bei dieser Nachricht gefühlt, so sagt er, und genau in diesen elementaren Spannungsbogen gehören sie wohl auch hinein, die wendigen, witzigen und widersprüchlichen Franken.

Mit dem heutigen Tag werden Sie, lieber Herr Tausendpfund, als 26. Oberfranke mit dem Frankenwürfel ausgezeichnet. Und wenn in Zukunft Ihre »Mitfranken« die Preisträgerliste für das Jahr 2008 studieren, so bin ich mir ganz sicher, dass sie anerkennend bestätigen werden: »Der bassd scho, der Tausendpfund!«

Herzlichen Glückwunsch und willkommen im Kreis der »Gewürfelten Franken«!

WILHELM WENNING
Regierungspräsident von Oberfranken