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Thomas Glasmeyer, Würzburg (Unterfranken)

Auszeichnung: 2022 – Rottendorf

Laudatio

Am Anfang stand ein zum Rupfen bereites Huhn. Das arme Tier lag auf dem Küchentisch der Großtante Klärchen. Thomas Glasmeyer, damals noch ein Steppke von nicht mehr als etwa sechs Jahren, bekam große Augen und fragte sich, welch tolle Sachen man aus all den Federn doch machen könne. Für ihn war diese Frage schnell beantwortet. Eine Puppe sollte es werden. Und fortan wurden aus vielerlei nicht mehr benutzten Materialien Puppen gebaut.

Der Schritt vom Puppenbauer zum Puppenspieler lag dann auch nahe. Kurze Zeit später, mit etwa sieben Jahren, begann er mit dem Puppenspiel. Thomas Glasmeyer, der sich auch hätte vorstellen können Sänger zu werden, frönte seiner Leidenschaft des Puppenspiels in den darauffolgenden Jahren ausgiebig, nicht zuletzt unterstützt durch seinen Zeichenlehrer am Gymnasium, der selbst Puppenspieler mit eigener Kellerbühne war. Sein Weg schien vorgezeichnet.

Dann aber geschah etwas sehr Merkwürdiges: Thomas Glasmeyer, damals noch in Westfalen beheimatet, begann ein Studium der Rechtswissenschaften. Lassen sich hier etwa schon erste widersprüchliche Anlagen eines späteren Wahl-Franken erkennen? Thomas Glasmeyer geht diesen – wie er ihn selbst bezeichnet – „Irrweg“ bis zum bitteren Ende. Nach der ersten Staatsexamensprüfung entscheidet er sich dann aber ab 1990 doch für den für ihn so erfüllenden Weg des freischaffenden Puppenspielers.

Der Anfang war allerdings nicht leicht in einer Zeit, in der vielen seiner Zeitgenossen das Puppenspiel noch nicht wirklich geläufig war. So fand er sich nach der Gewerbeanmeldung im Telefonbuch als Inhaber eines Spielwarengeschäfts wieder. Gut war das dennoch. Kam so doch zumindest eine Bestellung über Holzstörche für eine Hebammenschule in das bis dahin noch eher spärlich gefüllte Auftragsbuch.

„Sich wenden, sich drehen, im Leben bestehen, so ist der gewürfelte Franke zu sehen“. Das steht auf einer Seite des heute zu überreichenden Frankenwürfels geschrieben und dem macht Thomas Glasmeyer mit seinem mutigen Schritt in die Selbstständigkeit und seinem anschließenden Schaffen auf beeindruckende Weise alle Ehre. Zählt er doch mittlerweile zu den renommiertesten Vertretern des fränkischen Figurentheaters mit einem Wirkungskreis weit über seine Heimatregion hinaus.

Als Autodidakt hat er sich seine Fertigkeiten im Puppenspiel selbst angeeignet und ein stetig wachsendes Repertoire aufgebaut. Die Bandbreite seiner Stücke reicht von Kinder- und Familienstücken wie Peterchens Mondfahrt oder der wundersamen Geschichte vom armen aber zufriedenen Ritter Valentin Gundelfinger bis hin zu Unterhaltung für Erwachsene mit Interpretationen von Goethes Faust oder des Rings der Nibelungen. Für Thomas Glasmeyer ist das Puppenspiel eben nicht nur Kindertheater, sondern eine mit anderen Ausdrucksmedien gleichberechtigte und zeitgemäße Form der darstellenden Kunst.

Wichtige Stilelemente seines Schaffens sind für Ihn Sprache und Gesang. So sind seine Texte oftmals gereimt und Dialekte ahmt er – wie es sich für einen Gewürfelten gehört – mit sehr viel Witz nach.
Der Franke, sagt er, kann in zwei Wörtern sagen, was der Norddeutsche in zwei bis drei Sätzen nicht zustande bringt. Wie Recht er nur hat!

Neben Sprache und Gesang ist für sein Werk aber auch das Widersprüchliche durchaus charakteristisch – widersprüchlich auch im Sinne von Widerspruch gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen. So finden sich in seinen Erwachsenenwerken etwa Bemerkungen zu Rechtspopulismus oder Lohnungerechtigkeit. Auch die Pharmaindustrie kommt nicht gut weg. Denn für die Herstellung des

Verjüngungstranks in der Hexenküche von Goethes Faust schreckt die vorlaute Laborantin in Thomas Glasmeyers Adaption auch vor Tierversuchen nicht zurück.

Thomas Glasmeyer steht mit seinen Figuren in der Regel alleine auf der Bühne. Ihn deshalb als One-Man-Show zu bezeichnen trifft es allerdings auch nicht ganz. Kooperationen mit Regisseuren, Komponisten oder Bühnenbildnern sind ihm wichtig. Unterstützung bei der künstlerischen Umsetzung seiner Werke erhält er gelegentlich auch von seinen beiden Söhnen, ihres Zeichens Architekt und Klarinettist. Und mit seiner langjährigen Partnerin Madalena, Ergotherapeutin mit kunsttherapeutischer Ausbildung, tauscht er sich gerne zu seinen fertig konzipierten Stücken aus. Madalena ist sozusagen für die Endabnahme zuständig!

Lieber Herr Glasmeyer, wir feiern Sie und ihr mittlerweile 32-jähriges Wirken als ganz besonderer Puppenspieler heute nachträglich in einem dem Anlass angemessenen Rahmen und verleihen Ihnen für die verschiedenen Facetten Ihres Schaffens und Ihrer beeindruckenden Persönlichkeit den Frankenwürfel. Ich heiße Sie im Kreise der „gewürfelten Franken“ ganz herzlich willkommen.

DR. EUGEN EHMANN
Regierungspräsident von Unterfranken