Auszeichnung: 2025 – Schloss Werneck
Laudatio
„Ich bin die Rosi aus Ühleinshof!“ Wem sie sich derart ungeniert vorstellt, der findet schnell Gefallen am bodenständigen Charme der neuen oberfränkischen Gewürfelten. Im Landkreis Forchheim wissen dann sowieso alle, wen sie da vor sich haben: Nicht zuvorderst die Bäuerin mit Leib und Seele und engagierte Landfrau, auch nicht die langjährige Kreisrätin und auch nicht die allgegenwärtige Landratsstellvertreterin, sondern vor allem eine sympathische Frau mit Herz und Charakter, die authentisch und glaubwürdig in ihrem Einsatz für Heimat und Landwirtschaft im Nu das Vertrauen der Menschen erobert.
Mit Herzlichkeit allein aber hat sich Rosi Kraus den Frankenwürfel nicht verdient. Man sieht es der freundlichen Frau auf den ersten Blick vielleicht nicht an, aber sie hat schon auch ihre Ecken und Kanten. In das, was ihr wichtig ist, legt sie ihr ganzes Herzblut. Das sind die landwirtschaftlichen Familien und Betriebe, die Landfrauen, die Heimat, die Tradition und die Wertschätzung für die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern. Sie trägt Bauernstolz im Herzen und auf der Zunge und lebt ihn ganz unideologisch auf moderne Weise vor.
Das landwirtschaftliche Handwerk hat sie von der Pike auf gelernt. Auf dem kleinen Vollerwerbshof ihrer Eltern hat die kleine Rosi früh eine Begeisterung für den Umgang mit Tieren und Maschinen, für das Säen und Ernten, für die Natur und für die Kostbarkeit der landwirtschaftlichen Erzeugnisse entwickelt. Der Realschule ließ sie eine hauswirtschaftliche Lehre und ein Studium an der Technikerschule in Triesdorf mit dem Abschluss als „Technikerin für Ernährung und Hauswirtschaft“ folgen.
Dass sie einen Herzallerliebsten fand, der die Leidenschaft für die Landwirtschaft mit ihr teilte, war natürlich ein Glücksfall. 1986 übernahm sie mit ihrem Werner die elterliche Scholle, da waren sie beide noch keine 30 Jahre alt.
Mit den drei Kindern zog nach und nach neues quirliges Leben auf dem Anwesen ein. Haus und Hof, Kind und Küche – anstrengend war diese Zeit, aber auch schön. Allerdings stellte sich Rosi und Werner wie vielen anderen Landwirten zu jener Zeit irgendwann die Frage: Ausbauen oder aufgeben? Immerhin trugen sie die Verantwortung für die eigene fünfköpfige Familie und für die Eltern auf dem Altenteil. Der Hof war zu klein, als dass es sich auf Dauer gerechnet hätte, und vom Draufzahlen hat noch nie einer überlebt. Leicht machten sie sich die Entscheidung nicht. Am Ende siegte die Vernunft über das Herz: Die Kühe wurden abgeschafft, Werner suchte sich eine Arbeit und Rosi managte ab sofort den im Wesentlichen auf Obstanbau konzentrierten Nebenerwerbsbauernhof weitgehend allein.
Um noch etwas eigenes Geld zu verdienen, hat sie regelmäßig in einer Diskothek Cocktails gemixt und hin und wieder am Wochenende in Gaststätten bedient. Nachts um 3 Uhr ins Bett und früh um 6 schon wieder auf den Beinen – wie sie das alles unter einen Hut gebracht hat, ist unbegreiflich. Als Schule für das Leben und für die späteren Ehrenämter haben ihr diese Erfahrungen und der Kontakt zu den unterschiedlichsten Menschen aber viel genützt. Wo der Schuh drückt und was nötig ist, um zu helfen, das weiß Rosi Kraus seit dieser Zeit aus erster Hand.
Das Leben hatte dann noch eine schwere Aufgabe für sie parat. Gemeinsam mit ihren Schwestern pflegte und betreute sie zunächst die halbseitig gelähmte Mutter und später den dementen Vater. Das lehrte sie große Hochachtung vor all den Frauen und Männern, die Tag und Nacht an den Betten geliebter Menschen ausharren und sich nicht selten bis an den Rand ihrer Kräfte für ihre Angehörigen aufopfern.
Als ob das alles nicht schon genug gewesen wäre, wurde sie dann auch noch völlig unerwartet gefragt, ob sie das Amt als Forchheimer Kreisbäuerin übernehmen würde. Das konnte sich die Rosi aus Ühleinshof eigentlich überhaupt nicht vorstellen. Erst wehrte sie sich mit Händen und Füßen, dann ließ sie sich doch breitschlagen, auch wenn sie überhaupt nicht wusste, was da auf sie zukommt. Am 21. Januar 2002 wurde sie gewählt, nur drei Wochen später war schon ihr erster Landfrauentag, da war sie mächtig aufgeregt. Die Aufgabe meisterte sie souverän, das war der Auftakt zu vielen liebevoll organisierten Veranstaltungen und Aktionen unter ihrem Kommando, an die ihre Forchheimer Landfrauen bis heute gerne zurückdenken.
Auf ihre Landfrauen hält Rosi Kraus große Stücke. Sie sind die Seele ihrer Ortschaften, geben den Dörfern ein Gesicht und halten die Generationen zusammen. Bürokratie, Klimawandel, Preisdruck – einfacher geworden ist es in der Landwirtschaft sicher nicht. Umso wichtiger war sie als Vorbild und als unerschrockene Kämpferin für die Interessen ihres Berufsstandes. Was sie im Ehrenamt leistete, kam fast einem Vollzeitjob gleich.
Für ihre offene, ehrliche und geradlinige Art wurde sie weithin geschätzt. Doch wenn man sagt, was man denkt, und wenn man macht, was man für richtig hält, eckt man hin und wieder auch an und muss einiges einstecken. Das ging sogar so weit, dass sie einmal Morddrohungen am Telefon bekommen hat. Verbiegen ließ sie sich dadurch aber nicht. „Ich hab‘ mein Herz auf der Zunge und sag‘ immer meine Meinung“, so beschreibt sie sich selbst und wurde zu einer absoluten Sympathieträgerin in der Region und zu einer überzeugenden Vertreterin des ländlichen Raums. Nicht umsonst wurde sie bei ihrer Verabschiedung vor drei Jahren zur Ehrenkreisbäuerin ernannt und als Legende geadelt, die große Fußstapfen hinterlässt.
Wer so umtriebig unterwegs ist, gerät früher oder später natürlich auch in das Visier der Politik, denn tüchtige Leute sind immer gefragt. So fing Rosi Kraus im Jahr 2008 im Kreistag an und wurde sechs Jahre später sogar zur Landratsstellvertreterin gewählt. Wer hätte damit gerechnet, dass das „einfache Bauernmadla“ so eine steile Karriere hinlegen würde? Sie am allerwenigsten, aber wenn man schon die Chance zum Mitgestalten bekommt, dann muss man auch zugreifen.
So eilte sie also fortan als zweite Kraft im Landkreis zwischen Getreideschnitt und Obstlese schnell noch zum Spatenstich nach Wohlmuthshüll und zum Ehejubiläum nach Hetzelsdorf, bevor es „Am Streckerplatz“ in Forchheim schon wieder zu langen Sitzungen in den Kreistag oder in einen Ausschuss ging. Vor zwei Jahren wurde sie dann plötzlich über Nacht Vollzeitchefin der 600 Kolleginnen und Kollegen in der Schaltzentrale des Landkreises Forchheim, als sich der Landrat dauerkrank melden musste und Rosi Kraus seine Aufgaben vorübergehend eins zu eins übernommen hat.
Von früh bis spät Termine, Besprechungen, Entscheidungen, da blieb kaum Zeit zum Durchschnaufen. Aber wichtige Vorhaben duldeten keinen Aufschub und die Bürgerinnen und Bürger sollten unter dem Vertretungsfall erst recht nicht leiden. Chapeau und Applaus, wie sie das gemacht hat und trotzdem stets die freundliche Rosi aus Ühleinshof geblieben ist, auch wenn es sich tief drinnen manchmal vielleicht ganz anders angefühlt haben mag.
Liebe Rosi,
28 Jahre hat es gedauert, bis der Frankenwürfel wieder einmal in den Landkreis Forchheim gerollt ist. Dass der Würfel zu einer der beliebtesten Landkreisbürgerinnen gefunden hat, wiegt aber die lange Wartezeit allemal auf. Mit Deinem Forchheimer Würfelvorgänger Altlandrat Otto Ammon verbinden Dich nicht nur Dein verdienstvolles kommunalpolitisches Wirken, sondern auch Deine tiefe Verwurzelung in der Heimat, Dein gesunder Pragmatismus, Deine Bürgernähe und Hilfsbereitschaft und Dein Interesse an den Menschen.
Rosi Kraus aus Ühleinshof, wendig, witzig und widersprüchlich auf Deine eigene unverwechselbare Art und Weise und jetzt eine gewürfelte Fränkin! Herzlichen Glückwunsch!
FLORIAN LUDERSCHMID
Regierungspräsident von Oberfranken