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Reinhard Hüßner – Wiesenbronn (Unterfranken)

Auszeichnung: 2001 – Bad Windsheim

Laudatio

»Wendig, witzig, widersprüchlich – die typisch fränkischen Charakterzüge. Sie zeichnen Reinhard Hüßner in hohem Maße aus, obwohl der Geburtsort dies zunächst nicht hätte vermuten lassen.

Im Wonnemonat Mai 1958 erblickte Reinhard Hüßner in Soest, also in Westfalen, das Licht der Weit. Aus dem westfälischen Hüßner wurde schnell ein fränkischer, womit er seine Wendigkeit bereits in jungen Jahren unter Beweis stellen konnte.

Seine Kinder- und Jugendjahre verlebte er am Fuße des Steigerwaldes, in der kleinen Gemeinde Wiesenbronn im Landkreis Kitzingen. Als junger Mann orientierte sich Reinhard Hüßner in Richtung Stadt, nämlich nach Iphofen, um dort den typisch fränkischen Beruf eines Winzers zu erlernen. So wendig wie er ist, schwenkte er später nochmals um und begann eine Laufbahn als Verwaltungsbeamter beim Landkreis Kitzingen, wo er zuletzt als Amtspfleger tätig war. Erst Winzer, dann Beamter des Weinlandkreises Kitzingen – also eine typisch fränkische Beamtenlaufbahn.

Als guter Beamter pflegte Reinhard Hüßner eine Vielfalt von Nebentätigkeiten – fränkische Nebentätigkeiten wohlgemerkt, denn als Verfechter des Erhalts von Volkskunst und Brauchtum ist er schon lange auf dem Gebiet der Heimatpflege sehr aktiv. Durch den Besuch von Vorlesungen an der Universität Würzburg stillte Reinhard Hüßner seinen Wissensdurst und bildete sich in Volkskunde und Geschichte fort. Grundsätzlich interessieren ihn alle volkskundlichen Bereiche, die Archivforschung und historische Themen ebenso, wie fränkische Lebenskultur und Veranstaltungen in allen Variationen.

Reinhard Hüßner weiß nicht nur viel über die fränkische Volkskunst, er praktiziert sie auch selbst. Musik, Literatur und Tanz sind seine Lebenselixiere. Mit Leib und Seele spielt er in der Musikgruppe »Heckenschmatzer « – hier kommt auch sein herzhaftwitziger Humor zum Ausdruck. Aber nicht nur dort, auch bei diversen anderen musikalischen Aufführungen ist Reinhard Hüßner in vorderster Reihe mit seinem Schifferklavier zu finden.

Seine Wendigkeit zeigt Reinhard Hüßner auch, wenn er das Tanzbein schwingt. Interessierte führt er als Tanzmeister gerne in die fränkischen Rundtänze ein.

Bei Kulturabenden blickt er mit mundartlichen Gedichten und Prosa tief in die fränkische Seele und stöbert darin nach Liebenswertem, Markantem und Besinnlichem. Musste sich unser westfälischer Steigerwälder noch in jungen Jahren belehren lassen, dass ein »Gaul« ein Pferd und »Becher « die Bücher sind, so ist er heute derjenige, der den Zuhörern die fränkischen Begriffe erklärt.

Wer sich mit so viel Herzblut für Volkskunst und Brauchtum einsetzt, der ist als Leiter eines Fränkischen Museums geradezu prädestiniert. So wurde Reinhard Hüßner 1993 zunächst halbtags und später ganztags vom Landkreis Kitzingen freigestellt, um das Amt des 1. Vorsitzenden sowie die Geschäftsleitung des Fränkischen Kirchenburgmuseums Mönchsondheim zu übernehmen. Diese Aufgabe ist seitdem Beruf und Berufung zugleich. Tausendsassa Hüßner setzt sich mit Leidenschaft und missionarischer Ausdauer für den Erhalt des dörflichen Lebens ein. Er ließ in Mönchsondheim ein Kleinod unter den fränkischen Freilandmuseen entstehen. So ist mittlerweile eine Vielzahl historischer Gebäude Teil des Museums geworden – neben der geschlossen erhaltenen Kirchenburg mit ihren Gaden auch das Schulhaus, die alte Poststelle und natürlich ein Wirtshaus.

»Vergessenes hautnah erleben« ist der Kernpunkt seines musealen Konzeptes.

So werden in den 17 Werkstätten alte, oft schon vergessene Handwerkstechniken wieder zum Leben erweckt, wie die des Wagners, Sattlers oder Bürstenmachers.

Die bäuerliche Vorratshaltung wird in zahlreichen Exponaten ebenso demonstriert wie der traditionsreiche fränkische Weinbau. Mit bodenständigen fränkischen Schmankerln wie Krautworscht, Presssack und Apfelkräpfli lockt Hüßner die Besucher ins Museum und zeigt ihnen ganz nebenbei, wie früher Apfel- oder Traubenmost gekeltert, Kraut gehobelt und eingestampft sowie gebuttert wurde. Im museumseigenen Kräutergarten demonstriert er schließlich, welche Möglichkeiten die Bauersfrauen früher ohne Maggi-Fix und Fertigwürzprodukten hatten, Speisen zu verfeinern und Leiden zu heilen.

Reinhard Hüßner zeigt seinen Besuchern, wie mit alten Rezepten Leib und Seele zusammengehalten werden. Auch für das Hochprozentige hat er eine ganz besondere Rezeptur. Gelegentlich erblickt man ihn mit listig blitzenden Augen vor einem großen Kessel stehen. Mit etwas Phantasie könnte man den Mann mit dem markanten Rotbart für jenen Druiden halten, dessen Zaubertrank Asterix und Obelix unbesiegbar machte. Reinhard Hüßner ist der Miraculix von Mönchsondheim. Seit zwei Jahren besitzt das Museum eine eigene Schnapsbrennerei und seit jener Zeit kann er mit Stolz ein ganz spezielles Elixier aus diesem Kessel sein eigen nennen.

Einen besonderen Schwerpunkt in der Museumslandschaft bilden unter der Federführung von Reinhard Hüßner die zahlreichen kulturellen Veranstaltungen und Sonderausstellungen. So wurde 1998 im Kirchenburgmuseum die größte Trachtenausstellung Frankens mit über 500 Exponaten eröffnet. Seit letztem Jahr finden jeweils Mitte Juni die »Mönchsondheimer Volksmusiktage « statt, die fränkische Musik-, Sing- und Tanzgruppen präsentieren und einen Einblick in die Vielfalt des traditionellen Liedgutes bieten.

Apropos historisches Liedgut: Reinhard Hüßner ist ja immer für »a Gschichtla« gut und deshalb sei an dieser Stelle an die Geschichte mit der Rama-Schachtel erinnert. Zwar zufällig, aber wohl doch mit dem ausgeprägten Spürsinn eines Sammlers, entdeckte er in einem ortsansässigen Lebensmittelgeschäft eine Rama-Schachtel. Rama- Schachteln aus früheren Zeiten waren extrem stabil und ersetzten manchem die Dokumentenkassette im Haus. In diesem Safe aus Pappkarton fand Hüßner Unterlagen eines längst vergessenen Vereins – des Gesangvereins Mönchsondheim. 30 Liederbücher und Hefte ließen sein Herz höher schlagen – heute erfreuen wir uns an diesen alten Musikstücken.

Höhepunkt für Hüßners jährlichen Veranstaltungskalender ist das über die Landkreisgrenzen hinaus bekannte Kirchenburgfest. Es wird jeweils am ersten Juliwochenende gefeiert und ist inzwischen zu einem Anziehungspunkt für ganz Franken geworden. Mittlerweile wurde auch der Bayerische Rundfunk auf dieses so »fränkische« Museum und seinen Museumsleiter aufmerksam und dokumentierte beide Unikate in Ton und Bild. Eine Bestätigung für die überaus erfolgreiche Arbeit des »Museumsdirektors « Hüßner.

Trotz der vielen bereits umgesetzten Projekte mangelt es Reinhard Hüßner niemals an neuen Ideen für sein Museum; diese sind allerdings stets mit finanziellen Belastungen verbunden. Aber davon können der Bezirk Unterfranken, der Landkreis Kitzingen und auch die Stadt Iphofen »Gschichtla« erzählen, wenn Herr Hüßner in der Tür steht und auf seine witzig fränkische Art den Satz beginnt: »Ich hab a’ mal a Anliegn«.

Mein einziges Anliegen am heutigen Tag ist, Sie, Herr Hüßner, mit dem Frankenwürfel auszuzeichnen. Sie verkörpern zweifellos die drei charakteristischen »W’s« und haben sich daher als würdiger Gewürfelter erwiesen.

Dr. PAUL BEINHOFER
Regierungspräsident von Unterfranken