Auszeichnung: 2023 – Thurnau
Laudatio
„Witzig, wendig und widersprüchlich soll der Gewürfelte sein und das ist Professor Dr. Klaus Reder, Leitender Kulturdirektor und Bezirksheimatpfleger von Unterfranken ohne Zweifel.
Gebürtig ist Klaus Reder in Obereßfeld im Grabfeld. Dem Grabfeld ganz speziell ist er bis heute sehr verbunden. Wer behauptet, er stamme aus dem Landkreis Rhön-Grabfeld oder gar aus der Rhön, der wird entschieden berichtigt: „Ich komme aus dem Grabfeld!“ heißt es dann.
Aufgewachsen in einer katholischen Familie war Klaus Reder seit frühester Jugend Messdiener, später Schriftführer im Pfarrgemeinderat und aktiv in der Katholischen Landjugend. Daheim arbeitete er im örtlichen Tante-Emma-Laden der Mutter mit, während der jüngere Bruder zur Schule ging und der ältere in der Landwirtschaft des Vaters mitarbeitete.
Hier im Laden erlernte Klaus Reder bereits jene Fähigkeit, die ihm sein späterer Mentor Prof. Wolfgang Brückner stets attestierte: dass er nämlich das Geld in der Hosentasche wechseln könne. Das ist durchaus auch im übertragenen Sinne zu verstehen: Wenn Klaus Reder heute ein Finanzierungsplan vorgelegt wird, wirft er einen intensiven Blick darauf, um dann erst einmal mitzuteilen, dass es da wohl einen Rechenfehler gebe und das Defizit zu hoch sei. Glücklicherweise liefert er aber stets auch einen Lösungsvorschlag für das Problem mit.
Nach der Bundwehrzeit stand 1981 die Entscheidung fest, nicht Jura zu studieren, was ursprünglich einmal geplant war. Vielmehr begann er ein Studium der Volkskunde. Als Nebenfächer belegte er historische Hilfswissenschaften, Vor- und Frühgeschichte und fränkische Kirchengeschichte.
1983 führte ihn ein Praktikum schließlich zum Bezirk Unterfranken. Sein Vorgesetzter war der damalige Bezirksheimatpfleger Dr. Reinhard Worschech. Eine von Klaus Reders Aufgaben war es, Kontakt zu Gemeinden in Unterfranken aufzunehmen, in denen der Deportation der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern durch das Anbringen von Gedenktafel gedacht werden sollte. Er erledigte diese Arbeit so gut, dass der Bezirk für ihn nach Ablegen seines Magisterexamens 1986 gleich einmal eine Stelle geschaffen hat. 1994 promovierte Klaus Reder und im Jahr 1999 wurde er schließlich zum Bezirksheimatpfleger von Unterfranken ernannt.
Unter Klaus Reder erfolgte eine erhebliche Erweiterung der klassischen Arbeitsfelder der Heimatpflege. Er gab seinem Referat daher auch einen neuen Namen, der zur Pflege die Arbeit stellt: „Kulturarbeit und Heimatpflege“.
Die Kleinkunst erhielt einen eigenen Fördertopf und wurde damit als ernstzunehmende Kultursparte angesehen. Ebenso wurde die Erinnerungsarbeit an die von jüdischem Leben geprägte unterfränkische Vergangenheit ausgebaut.
Aber damit nicht genug. Klaus Reder setzt sich ebenfalls für funktionierende Dorfkerne und eine Denkmalpflege ein, die neben Kirchen und prächtigen Häusern auch Kleindenkmäler unterstützt. Letztere wurden als eigener Sonderbereich der Denkmalpflege etabliert.
Er brachte zudem die Unterstützung des Unterfränkischen Dialektinstituts der Universität Würzburg auf den Weg. Klaus Reder hat aber auch die jungen Leute im Blick. Der Bezirk Unterfranken hatte als Erster in Bayern einen „Beauftragten für Popularmusik“, der Pop- und Rockmusik fördert. Und er steht auf der Seite von jungen Familien, die sich für die Sanierung eines alten Hauses im Ortskern entscheiden, statt für das Reihenhaus auf der grünen Wiese.
All diese Projekte und Vorhaben sind nicht billig. Aber glücklicherweise zeichnet sich Klaus Reder – wie es sich für einen Frankenwürfelträger gehört – durch besondere Wendigkeit aus. Dies gilt auch für das Beschaffen von Finanzmitteln. Etwas, das er bereits in jungen Jahren gelernt hat. Benötigte man damals in der Jugendgruppe einen Kicker oder einen Billardtisch, organisierte er Altpapiersammlungen oder ein Fest, bei dem Einnahmen aus Speisen und Getränken flossen. Oder die Mittel kamen ganz einfach aus der eigenen Hasenzucht.
Klaus Reder sitzt nicht im Elfenbeinturm. Es kann schon vorkommen, dass er am Vormittag im Büro des Bezirksheimatpflegers mit einem Heimat- und Geschichtsverein den Termin für einen Vortrag vereinbart, danach dem Bayerischen Rundfunk ein Telefon-Interview gibt und am Nachmittag nach Berlin fährt, um mit dem Bundeskanzler über Fördergelder für ein soziales Projekt zu sprechen. Weil er wendig ist, trifft er dabei stets den rechten Ton, weil er witzig ist, entspannt er schnell einmal auch schwierige Situationen. Auch deswegen genießt Klaus Reder das Vertrauen der Menschen, die mit ihm zusammenarbeiten.
Man wird sich schwertun, Klaus Reders lebenslang ausgebautes Netz an Kontakten auch nur ansatzweise in seiner Größenordnung zu erfassen. Das hängt mit seinem phänomenalen Gedächtnis für Namen und Gesichter zusammen. Klaus Reder kann an der Fleischtheke einer Metzgerei in irgendeinem kleinen Ort in Unterfranken die Kassiererin ansprechen: „Ich glaube, ich kenne ihre Schwester“. Diese, zunächst distanziert und misstrauisch, muss nach einigem Hin und Her eingestehen, dass ihre Schwester, der sie offenbar sehr ähnlich sieht, als Krankengymnastin in Würzburg arbeitet und Klaus Reder vor Monaten behandelt hat. Metzgereifachverkäuferin und Bezirksheimatpfleger scheiden in bestem Einvernehmen.
In der Namenserinnerung hat gegen Klaus Reder kaum jemand eine Chance. Das gilt auch für die Erinnerung an zahlreiche Details seines beruflichen Lebens. Einige seiner Kolleginnen und Kolleginnen nennen ihn deshalb respektvoll „Bezirks-Dino“ – das Modell eines kleinen Dinosauriers steht im Übrigen auch auf seinem Schreibtisch.
Wendig ist Klaus Reder auch, weil er immer mehrere Projekte gleichzeitig am Laufen hat. Dabei geht er bei jeder Unternehmung nach einem festen Schema vor: einen Plan machen, wie man die notwendigen Mittel bekommt; wobei er selbst meist die besten Ideen hat.
Sind die Gelder zusammen, geht es an die konkrete Umsetzung. Und alles wird natürlich sorgfältig dokumentiert. Keine Sitzung, die nicht mit dem Satz beginnt: „Wer schreibt Protokoll?“. Es werden Ziele und Zwischenziele festgelegt und der Schlusssatz lautet immer: „So, jetzt brauchen wir noch einen Termin fürs nächste Mal“. Und dann entschwindet er, ist schon beim nächsten Projekt, und lässt seine Leute machen. Sich in Details einzumischen ist nicht seine Sache. Wäre er ein Großbauer und würde ein neues Stallgebäude errichten, dann wäre er bei den Planungen dabei, würde in regelmäßigen Abständen vorbeschauen und auch garantiert die Schwachstellen herausfinden und Verbesserungsvorschläge machen. Selbstredend käme er schließlich zum Richtfest und würde jeden Anwesenden mit Namen kennen.
Klaus Reder lässt aber auch – bildlich gesprochen – kein Stallgebäude im Stich. Noch Jahre später erkundigt er sich interessiert nach früheren Projekten. Und zwar eher nicht, indem er irgendwo offiziell anruft, sondern eher nebenbei, bei irgendeinem Empfang oder einer Preisverleihung: „Ach, und was ist eigentlich aus dieser Bildstocksanierung geworden?“.
Frankenwürfelträgern wohnt das Widersprüchliche inne, Widerspruch auch gegen gesellschaftliche Fehlentwicklungen. Klaus Reder widerspricht insbesondere dann, wenn sozial Schwächere zu Schaden kommen. Seine Solidarität lebt er aktiv als Vorsitzender der katholischen Laiengemeinschaft Sant‘Egidio Deutschland.
Für arme, alte, geflüchtete oder kranke Menschen hat er nicht nur ein offenes Herz, sondern hilft aktiv mit seinem Organisationsgeschick, einer akribischen Kenntnis der bestehenden Strukturen sowie einem Händchen dafür, im richtigen Moment die passenden Leute ins Boot zu holen. So findet Klaus Reder immer wieder tragfähige Lösungen.
Widerspruch und Wendigkeit sind im Leben von Klaus Reder zwei Seiten einer Medaille, sie gehören untrennbar zusammen. Ihr Kitt sind Witz, Tempo und Einfallsreichtum.
Der Frankenwürfel 2023 geht an Prof. Dr. Klaus Reder aus Unterfranken!
DR. EUGEN EHMANN
Regierungspräsident von Unterfranken