Auszeichnung: 2014 – Stadtlauringen
Laudatio
Der Frankenwürfel wird wie sein Name andeutet an Franken verliehen, die sich als „gewürfelt“ erwiesen haben. Deshalb trägt der Frankenwürfel neben dem Wappen der drei fränkischen Bezirke die Aufschriften:
„Es gilt dem gewürfelten Franken mit diesem Würfel zu danken“. Und:
„Sich wenden sich drehen im Leben bestehen so ist der gewürfelte Franke zu sehen.“
Konstitutiv für die Verleihung des Frankenwürfels ist es damit Franke zu sein. Was aber macht jemand zum Franken?
- Dass er in Mausgesees oder Ochsenschenkel, in Frankenfeld oder gar in Frankendorf geboren wurde?
- Dass er in Würzburg, Bayreuth oder Ansbach lebt?
- Dass er wie Loddar Matthäus spricht?
- Oder, dass er rechtzeitig kommt, wenn man sich für ¾12 mit ihm verabredet hat?
Sie merken, die Frage, was einen Menschen zum Franken macht, ist nicht leicht zu beantworten. Prof. Dr. Günter Dippold, Bezirksheimatpfleger in Oberfranken, hat in seiner Rede am Tag der Franken 2010 – für mich der intellektuelle und sprachliche Höhepunkt aller Frankentage seit 2006 – eine überzeugende Antwort gegeben:
„Es ist nicht einfach, zu definieren, wer ein Franke ist. Nicht schlimm: Franken ist von jeher ein offenes Land. Ein bewegendes Land mitten in Europa. Menschen in Franken und deren Geschichte zählen. … Menschen in Kategorien einteilen? Fränkisch, fränkischer, am fränkischsten? Nein! Es kommt darauf an, dass die Menschen, die hier leben, ihre Pflicht tun und mehr. Es kommt darauf an, dass diese Menschen sich bewusst sind, was sie hier empfangen haben und sich bemühen, etwas zurückzugeben.“
Ein solcher Mensch soll heute ausgezeichnet werden, ein Rheinländer, nach Mittelfranken exportiert, der sich hier wohl fühlt und in Mittelfranken schon ein „Wunder“ vollbracht hat. Begrüßen Sie mit mir und mit einem donnernden Applaus den Intendanten des Theaters Ansbach, Jürgen Eick!
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wie ist Jürgen Eick zum wendigen, witzigen und widersprüchlichen Franken geworden, der er heute ist? Der Versuch einer fränkisch-rheinischen Annäherung:
1969 in Düsseldorf geboren und im beschaulichen, aber katholischen Neuss am Rhein aufgewachsen, hat er die Frage nach seiner weiteren beruflichen Laufbahn, wie er sagt, im Ausschlussverfahren gelöst. Ihm war immer sehr klar, was er nicht machen wollte, etwa Lehrer werden wie seine Eltern. Oder eine Juristenlaufbahn einschlagen, wie es ihn heute wieder reizen würde. Oder eine politische Karriere anstreben. Egal, ob CDU, SPD, Grüne, FDP oder Rotarier, Lions, Freimaurer: Jürgen Eick hat sich erfolgreich aus allem politisch-gesellschaftlichen Theater herausgehalten. Schon seit seiner Schulzeit veröffentlicht er Texte und Theaterstücke. Sein Lebensthema ist daher nicht das politische, sondern das „weltliche Theater“. Er studierte Literaturwissenschaften, Linguistik, Politikwissenschaften und Kulturmanagement und sammelte erste berufliche Erfahrungen bei Roncalli’s Apollo Varieté im Aufbau von Verkaufsstrukturen und beim Westdeutschen Rundfunk als Redaktionsassistent Nachrichten bei der „Aktuellen Stunde“ von Chefredakteur und Moderator Frank Plasberg.
Am Ende aber ist Jürgen Eick unter die Künstler gegangen, wobei ihm die Bezeichnung Künstler für sich selbst immer ein Unbehagen bereitet. „Man bemüht sich!“ ist einer seiner Leitsprüche. Er stapelt erkennbar sehr gerne tief, wie wir Franken es eben so gerne zu tun pflegen! Er leitete verschiedene freie Theaterprojekte, Festivals, Tourneetheater und eine Kleinkunstbühne, von 1999 – 2003 arbeitete er als Schauspieler und Regisseur am Rheinischen Landestheater Neuss, ab 2004 als Dramaturg, Regisseur und Autor an der Neuen Bühne Senftenberg. Inszenierungen und Stücke wurden mehrfach ausgezeichnet. Und dann begann 2007 das vielzitierte „Theaterwunder von Ansbach“.
Die Stadt Ansbach hatte sich 2007 gegen den Trend in vielen anderen Städten unter dem Eindruck eines ausgeprägten bürgerschaftlichen Engagements der rührigen Genossenschaft „Haus der Volksbildung“ mit ihrem Vorstandsvorsitzenden Bundesminister a. D. Carl-Dieter Spranger entschlossen, ein neues Stadttheater mit einem ganzjährigen und professionellen Ensemble zu gründen. Das Ergebnis: die Zahl der Zuschauer hat sich in sieben Jahren vervierfacht auf über 34.000, der Freistaat Bayern fördert seit letztem Jahr sein jüngstes Stadttheater in Bayern institutionell, inhaltlich zeugen eine herausragende theaterpädagogische Arbeit, der Schwerpunkt Kinder- und Jugendtheater, Stadtprojekte, lokale Stoffe, Uraufführungen und eine zunehmend überregionale Verankerung und Wahrnehmung von der Häutung eines kulturellen „Nebenbeis“ zu einem kulturellen Kraftpaket in der Stadt Ansbach.
Als „Vater des Theaterwunders Ansbach“ gilt allgemein und uneingeschränkt Jürgen Eick, der 2007 als Gründungsintendant bestellt wurde. Wie hat er es geschafft, ein neues Theaterverständnis und -erleben, einen neuen Theaterreichtum nach Ansbach zu bringen?
Da ist zum einen seine Persönlichkeit. Zwischen ihm und der Stadt hat sich ein besonderes Band der Sympathie entwickelt, das in dem geflügelten Wort „I like Eick“ gipfelt, sicherlich nicht die schlechteste Grundlage für wiederholte Gespräche mit der Stadt, nicht zuletzt über Finanzen. Jürgen Eick gilt denn auch als Erfinder der von ihm sogenannten „Fränkischen Zange“. Man schaffe mit wenigen Mitteln und großer Leidenschaft in kürzester Zeit ein wunderbares Theater, so dass die Geldgeber gar nicht anders können, als ihr Scherflein beizutragen. Er betont immer wieder, „das Theater Ansbach ist für die Ansbacher die schönste Art, ihren Steuergeldern wieder zu begegnen.“
Seine Leidenschaft wurde schon genannt, hinzu kommt sein großer Einsatz bei der künstlerischen Leitung, der betriebswirtschaftlichen Führung des Theaterzweiges, beim Stückeschreiben, Inszenieren, bei der Dramaturgie, in der allgemeinen Organisation, beim Fundraising und der Sponsorenbetreuung, er ist ein „Tausendsassa“.
Und nicht zuletzt hat er sich ganz auf Franken eingelassen. „Für diesen schönen Landstrich riskiere ich aus Überzeugung meinen ersten Herzinfarkt“, sagt er selbst über sich. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit waren denn auch Stadtprojekte („Eine Stadt erzählt“) und die Verarbeitung der Stadtgeschichte und lokaler Stoffe in Stücken wie 2010 „Alexander der letzte Markgraf“, ein Drama von Gerd Scherm über den letzten Markgrafen von Brandburg-Ansbach und Bayreuth, 2010 das Musical „Kaspar Hauser – Allein unter Menschen“ und 2012 „Das Bildnis des Wilden Markgrafen“, wieder von Gerd Scherm. Damit hat er seinen Anspruch umgesetzt, ein Theater zu schaffen, das „mit seiner großen Vielfalt auch das Leben in Ansbach reflektiert, der Stadt aber auch immer den Spiegel vorhält und da entschieden nervt, wo es angebracht erscheint. Ein „Theater für alle“ eben – aber nicht für jeden!“
Für seine weithin anerkannten Leistungen für das Theater in Ansbach ist Jürgen Eick vielfach ausgezeichnet worden, 2010 von der Europäischen Metropolregion Nürnberg als erster „Künstler des Monats“, 2013 mit dem Großen Kulturpreis der IHK Nürnberg für Mittelfranken und 2014 mit dem ersten „Ansbacher Theaterpreis“. Nur einmal hat er es geschafft, sich beinahe mit den Ansbachern zu überwerfen, als er sich an ein fränkisches Heiligtum heranwagte, die fränkische Bratwurst.
In seinem 2013 uraufgeführten Weihnachtsmärchen „Hänsel und Gretel“ ließ er die Hexe ein „Hohelied“ auf die Bratwurst anstimmen, und das ging u. a. so:
„Was brutzelt herrlich auf Glut?
Wovon bekommt man nie genug?
Was tropft so saftig auf das Feuer?
Ein lecker fettig Ungeheuer!
Was begeistert Groß und Klein?
Was darf niemals anders sein?
Und auch wenn es mal regnen tut,
’ne Bratwurst ist doch immer gut.
Knorpel, Sehnen, Fettgewebe,
Muskeln, Hirn und Darmgelege.
’ne Bratwurst und ein Sonnenschein,
und Stimmung ist im Sportverein.
Haut und Haar und Fingernägel,
Arm und Bein und Hühnerschnäbel,
’ne Bratwurst ist ein Wunderding,
ist wie im Leben: alles drin.“
Als dieser Text dann von der Stadt Ansbach noch auf CD aufgenommen wurde, um Ansbach touristisch besser zu vermarken, war die Empörung bei den Ansbacher Bratwurstsachverständigen groß, die Metzger sahen gar den guten Ruf ihres Berufsstandes gefährdet, denn im Lied waren in der Tat Inhaltsstoffe einer Hexenbratwurst genannt, die sonst nur bei Lebensmittelskandalen vorkommen. Blödsinn und Satire stoßen nicht immer auf Verständnis. Jürgen Eick löste das Problem, wie es eben ein Franke macht, im Gespräch über einen Teller hinweg, der möglichst mit Kloß mit Soß, einem Schäufele oder eben einer Bratwurst gefüllt sein sollte. Bei einem gemeinsamen Bratwurstessen mit dem Metzgerobermeister im Rahmen des Theaterprojekts „Die Neustadt erzählt“ wurde am 11. Juli 2014 der „Ansbacher Bratwurstfrieden“ ausgerufen und eigens in einer Urkunde verbürgt. Nun lieben sie ihn wieder die Ansbacher, den Jürgen Eick.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
„Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen!“ fordert der Theaterdirektor in Goethes „Faust“. Statten wir daher jetzt den mittelfränkischen Gewürfelten, den Rheinländer Jürgen Eick, mit den Frankenwürfelinsignien aus. Dass Sie, sehr geehrter Herr Eick, es damit in Kauf nehmen, den 11.11., einen der höchsten Feiertage im Rheinland, von nun an in Franken bei Kloß, Blaukraut und Martinsgans zu verbringen, das ist der Beleg dafür, dass Sie die fränkische Lebensart verinnerlicht haben. Herzlichen Glückwünsch zur Auszeichnung mit dem Frankenwürfel.
Dr. THOMAS BAUER
Regierungspräsident von Mittelfranken