Zum Inhalt springen

Dr. Helmut Haberkamm – Spardorf (Mittelfranken)

Auszeichnung: 2008 – Zeilitzheim

Laudatio

»Sich wenden, sich drehen, im Leben bestehen, so ist der gewürfelte Franke zu sehen« und so steht es auf dem Frankenwürfel geschrieben. Einer der dieses urfränkische Credo Zeit seines Lebens verkörpert, ist Helmut Habermann: »ein Wortkünstler, ein Sprachkomponist, ein Akrobat, der die Mundart, die viele für grob und stumpf halten, virtuos zum Klingen bringt« (Fränkische Landeszeitung), »ein Hecht im Karpfenteich der fränkischen Dialektdichtung« (Steffen Radlmaier, Nürnberger Nachrichten).

Das Wort Karpfenteich fällt im Zusammenhang mit Helmut Haberkamm nicht zufällig. Am ersten Adventssonntag des Jahres 1961 im Aischgrund geboren, wächst er auf dem elterlichen Bauernhof in Dachsbach auf, wo nach seinen Worten »die Aischgründer Mundart dieser Karpfen- und Krengegend für ihn zur ersten, eigentlichen und wahrhaft eigentümlichen Sprache« wird. Und weiter meint er in seinem Gedichtband »Frankn lichd nedd am Meer« (1992) zu seinem »Wurzelbereich«, seiner »Denkwiese« Aischgrund:

»Aaschgrund, Aaschgrund ieber alles
ieber die Mooßn un iebern griena Glee
Aaschgrund, Aaschgrund, under anderm
Er gidder fasd alles
odder er gidder in Resd …
Des Land kummdmer hooch,
gehdmer nooch
Läßdmi nedd loos,
rutschdmer in Buggl noo
Lichdmer auf der Zunga,
am Herzn, im Moong
Gehdmer ieber in Fleisch un Bluud.
Nix Beriehmds, au wuher,
wennersder sooch
Alles halb so wild
Nedd die Weld, nedd is Wohre
Schee oozuschaua,
einichermooßn bayernanner.
Mer muß ja nedd bleim.«

Mit dem Gymnasium in Neustadt a.d. Aisch erfolgt die »öffnung zur Welt«. Sein Deutschlehrer, »der in Schlesien geboren und als vaterloses Kind nach Franken vertrieben worden war«, versteht es, die Lust am Lesen und Selber-Denken in ihm zu wecken. Dies hat, so Haberkamm, »sein Leben verändert und ihn auf den Weg gebracht, hin zu der Person, die er heute ist«.

Nach Abitur und Zivildienst im Internat des Windsbacher Knabenchors, verlässt er den sprachlichen Nährboden des Aischgrundes und zeigt seine besondere Widersprüchlichkeit: er geht zum Studium – man höre – der Anglistik, Amerikanistik und Germanistik nach Erlangen und Swansea in Wales. 1991 macht er seinen Doktor und wird danach Lehrer, seit 2001 am Emil-von-Behring- Gymnasium in Spardorf.

Diese Berufswahl mag von denjenigen, die im Lehrerdasein nur einen »Halbtagsjob« sehen, als Erklärung für die ungewöhnliche künstlerische Produktivität von Helmut Haberkamm dienen. Viel wahrscheinlicher ist, dass er, weil durch und durch passioniert, die Nacht auch noch zum Tag und die Ferien zur Arbeitszeit macht!

Seinen ersten literarischen Erfolg feiert Helmut Haberkamm 1989, als er mit fünf Gedichten an einem Wettbewerb der Bayerischen Mundartfreunde in München teilnimmt und auf Anhieb den Ossi-Sölderer- Preis gewinnt, ausgerechnet einen Preis aus München für einen Franken. Mit der Preissumme von 2.000 DM kauft er sich seinen ersten Computer und beginnt damit »sich als Schreibenden zu entdecken und zu erfahren«.

Es erscheinen 1992 bis 1995 die drei Bände der Aischgrundtrilogie. Nach diesen Initialzündungen geht es Schlag auf Schlag. Fast im Jahrestakt sieht und hört man ständig Neues von ihm. Veröffentlichungen und Stücke aller Art, im fränkischen Dialekt, aber auch in Hochdeutsch mit unverkennbar regionalem Einschlag und Bezug. übersetzungen englischsprachiger Songs ins Fränkische, Theaterstücke, ein Musical, Komödien, Fotogedichtbände, CD- und Kalenderprojekte mit anderen regionalen Künstlern, Fotografen und Musikern, Auftritte mit Pianisten und Komponisten, Sängern und Schriftstellern, Konzertlesungen, Leseabende, Essays, Rundfunkbeiträge im Bayerischen Rundfunk, die Hymne des Landkreises Erlangen-Höchstadt und und und. Namentlich erwähnt seien nur die Theaterstücke »Der Kartoffelkrieg« (2000), »Die g’schenkte Stund« (2003), »Die Schuddgogerer« (2005), »Der Frankenhasser« (2006), »Die Fichtn im Weiher« (2008) und »Der Kaschberlesmoo« (2008), das fränkische Erfolgsmusical »No Woman, No Cry Ka Weiber, Ka Geschrei« (2001) oder die CD’s wie »Frankn lichd nedd am Meer … und mehr und mehr« (1997), »Komm, süßer Tod« (2001) oder »Fodd ieberm großn Wasser« (2005). In der Gesamtschau ein vielfältiges, wahrhaft wendiges und (scheinbar) widersprüchliches künstlerisches Werk.

Was treibt nun Helmut Haberkamm an, was ist sein künstlerisches Anliegen? Er sagt selbst, dass die für ihn entscheidende Frage sich darauf richtet, was man im Fränkischen wohl »Idendidäd« (1992) nennen kann.

»Wurri herkumm, wirri haaß, wemi
Gleichsiech, wemi noochgrood
Wosmer kaaßn hemm, wosmi baggd,
Wosmi miedgnumma hadd
Wos dief drinhoggd, wosmi
Ausmachd, wosmer noochgehd
Fier wossi groddsteh
Fier wossermi grummleech
Obber wossi woor, binni nämmer, wossi
Bin, bleibi nedd, wossi sei meecherd
Binni nunni – Ach
Wos waaßn iech?«

Die Preisverleiher konnten und können mit dem Tempo von Helmut Haberkamm und seinem Feuerwerk an neuartigen Ideen kaum Schritt halten.

Die Liste seiner Auszeichnungen ist dementsprechend lang:

  • Bayerischer Kulturförderpreis 1993
  • Kulturförderpreis der Stadt Erlangen 1996
  • Kulturförderpreis des Bezirks Mittelfranken 1999
  • AZ-Stern des Jahres 2001
  • Förderpreis der 20. Bayerischen Theatertage 2002
  • Literaturpreis der mittelfränkischen Wirtschaft 2006.

Vielleicht hat diese Preisfülle Helmut Haberkamm selbstironisch zu seinem fränkischen Drama »Der Frankenhasser« (2006) inspiriert, in dem ein vermeintlicher Heimatdichter für seine tiefsinnigen Verse vom Bayerischen Ministerpräsidenten mit dem Bayerischen Staatspreis ausgezeichnet werden soll. Vor seiner Familie und dem Dorf spielt er den Staatspreis herunter, will sich in seiner als Pamphlet angelegten Dankesrede als Freischärler Frankens in Pose schmeißen und der Münchner »Broseggo- Bagaasch«, »dem Grawaddn-Gsoggs« und dem ganzen »Häbbchen- und Schnäbbchen- Gschwardl« ordentlich die Leviten aus der Sicht der zwangsvereinnahmten Franken lesen. Es endet, wie es enden muss. Denn der Held in diesem Drama kommt aus München zurück als zahnloser Heimatdichter, der sich von dem Schulterschlag des Ministerpräsidenten geehrt fühlt.

Sehr geehrter Herr Haberkamm,

Ihnen kann man weder nachsagen ein Frankenhasser « zu sein, noch ein zahnloser Dichter. Denn Sie machen wahre »Dialektpoesie, die geistreich, kunstvoll poetisch, sprachmächtig, formbewusst, geschichtsträchtig, geschichtsbewusst und zeitheimisch, aber auch zeitkritisch ist«.

Ich hoffe dennoch, dass Sie sich durch die Auszeichnung mit dem Frankenwürfel aus der Hand des mittelfränkischen Regierungspräsidenten geehrt fühlen.

Herzlich willkommen, sehr geehrter Herr Haberkamm, im Kreise der Alt- und Neugewählten!

DR. THOMAS BAUER
Regierungspräsident von Mittelfranken