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Gerlinde Heßler – Karlstadt (Unterfranken)

Auszeichnung: 2017 – Bolzhausen

Laudatio

Mit dem Frankenwürfel für Unterfranken zeichnen wir heute zum ersten Mal ein Ehepaar aus. Doch werden Sie in keinem Standesamt der Welt über eine Eheschließung der beiden einen Eintrag finden, denn im echten Leben sind sie jeweils mit anderen Partnern verbunden. Auf den ersten Blick ganz schön widersprüchlich. Doch auf der Bühne, den Brettern, die die Welt bedeuten, geben sie seit Jahrzehnten als „düppisches“ biederes, fränkisches Ehepaar Einblick in alle Bereiche ihres Ehelebens, selbst in Bereiche, über die man im echten Leben eher den Mantel des Schweigens breitet. Die Rede ist von Hermann und Hermine oder mit bürgerlichem Namen Werner Hofmann und Gerlinde Heßler aus Karlstadt. Heute sind die beiden Kabarettisten hier gewissermaßen inkognito erschienen, so dass viele von Ihnen sicherlich nicht sofort erkannt haben, wer in diesem Jahr für Unterfranken mit dem Frankenwürfel ausgezeichnet wird, auch wenn die beiden seit vielen Jahren aus Fernsehauftritten in der fränkischen Fastnacht und beim Kabarett in Franken bekannt sind wie „bunte Hünd“. Doch dazu später.

Das Leben der Gerlinde Heßler begann spektakulär. Sie brauchte Übersicht und Durchsetzungsvermögen, war sie doch die jüngste von 8 Kindern der fränkischen Bäckersfamilie Heßler. Gerlinde war zwei Jahre alt, als die Familie von Marktheidenfeld nach Karlstadt zog, in die Stadt, in der sie bereits als Kind durch ihren Bruder, den Mitbegründer der Karlstadter Karnevalsgesellschaft „Die Schwedenmännli“ ihre Liebe zur fränkischen Fastnacht entdeckt hat. Bereits im zarten Alter von 20 Jahren stand sie dann bei der KAKAGE zum ersten Mal in der Bütt und meisterte diesen Auftritt mit ihrer spontanen und lockeren Art bravourös. Ihre weiteren biografischen Eckpunkte lassen ein facettenreiches Leben zum Vorschein kommen, das ihre Wendigkeit unterstreicht. Sie ist seit vielen Jahrzehnten verheiratet, hat 2 erwachsene Kinder und ist gelernte Erzieherin. Als solche ist sie in der Tagesstätte der Lebenshilfe Main-Spessart in Gemünden tätig. Lange Jahre war sie für die Freien Wähler auch kommunalpolitisch als Stadträtin von Karlstadt und als Kreisrätin des Landkreises Main-Spessart aktiv und hatte dabei für alle Belange ein offenes Ohr. Wie Ihnen der heute hier anwesende Altlandrat Armin Grein und wohl auch der amtierende Landrat Thomas Schiebel bestätigen können, war sie damals das Zugpferd und die Stimmenkönigin der Freien Wähler, erzielte sie bei den Wahlen doch immer Spitzenergebnisse. Das Leben von Gerlinde Heßler kennt aber nicht nur Sonnenseiten. Ausgehend von der Betroffenheit in der eigenen Familie wurde sie zum ehrenamtlichen Motor einer Selbsthilfegruppe für stoffwechsel-erkrankte Kinder. In dieser Organisation hat sie mit großem Engagement Betroffenen viel Hilfe zuteilwerden lassen, so z. B. auch in Wochenendworkshops und bei Freizeiten. Gerlinde Heßler war in dieser Organisation auch im Bundesvorstand tätig.

Und nun zum „Mann an ihrer Seite“, zu Werner Hofmann, der in Karlstadt das Licht der Welt erblickte. In die Wiege gelegt wurde dem zweifachen Vater vor allem ein künstlerisches Talent, das sein Leben bis heute maßgeblich prägt. Er erlernte den Beruf des Retuscheurs von der Pike auf und natürlich zur damaligen Zeit ohne Softwareunterstützung am Computer, wie heute allgemein üblich. Er ist im Grafikbereich tätig und ein begnadeter Maler, der verrückt schöne hochwertige Bilder fertigt. Anhand von Fotos entstehen Portraits von Menschen, die jedes für sich ein außergewöhnliches Unikat mit Schalk und Witz ist, besteht doch die Besonderheit darin, dass er Beruf, Hobbies oder Interessen der zu porträtierenden Personen auf ganz besonders originelle Art in das Bild einfließen lässt. Auch das Etikett des legendären Landratsschoppens, der jährlich aus den Weinen des Landkreises Main-Spessart gekürt und im Rahmen einer launigen Veranstaltung vorgestellt wird, stammt seit vielen Jahren schon aus seiner Feder. Daneben ist Werner Hofmann treibender Impresario des Karlstadter Theaters in der Gerbergasse. Er hatte seine erste Theatergruppe in Frankfurt gegründet, wo er beruflich tätig war. Nach seiner Rückkehr nach Karlstadt wollte er natürlich weiter Theaterluft schnuppern und rief unter dem Dach der Volkshochschule eine Theatergruppe ins Leben. Auch Gerlinde Heßler war eine Frau der ersten Stunde in dieser Theatergruppe. Nach zehn Jahren löste sich auf Initiative von Werner Hofmann die Theatergruppe von der Volkshochschule und machte sich als Theaterbühne Karlstadt e. V. selbstständig. Dort führte Werner Hofmann weiter Regie und spielt meist auch die Hauptrolle. Gerlinde Heßler ist 2. Vorsitzende des Theatervereins und steht natürlich – wie könnte es anders sein – weiter mit auf der Bühne, in der Regel auch als Hauptdarstellerin. Als künstlerischer Leiter wagt sich Werner Hofmann auch an anspruchsvolle Stücke fernab von Klamauk, scheut sich nicht, auch heiße Eisen anzufassen, was seine Wendigkeit unter Beweis stellt. Aus seiner kreativen Feder entstehen auch die Bühnenbilder, Flyer und Anzeigen; auch die Entwürfe für die ausdrucksstarken Masken am Eingang zum Theater sind sein Werk. Daneben hat Werner Hofmann auch das Sommertheater im Hofrietgärtchen in Karlstadt ins Leben gerufen. Doch damit ist das Bild des Allrounders Werner Hofmann noch nicht komplett. Neben seinem vielfältigen künstlerischen Wirken muss er manchmal auch „richtig arbeiten“, wenn er in der Bar „Lilienlounge“ seiner Lebensgefährtin hinter der Theke im Einsatz ist, wie bereits früher im „Batzenärle“, einem früheren fränkischen Lokal im Untergeschoss dieses Anwesens.

Gerlinde Heßler und Werner Hofmann standen und stehen in ihren Berufen und in der Familie ihre Frau bzw. ihren Mann und starteten daneben eine Karriere, um Menschen mit ihren großen kabarettistischen und schauspielerischen Talenten mit viel Witz zu unterhalten. Sie agieren dabei sowohl einzeln, als auch im Doppelpack. Natürlich ist ihr geliebtes „Karscht“ und die nähere Umgebung ihr großes Betätigungsfeld, so z. B. bei der kabarettistischen Weinprobe, bei Veranstaltungen der Stadt und des Landkreises und vielem mehr. Doch auch weit über die Grenzen des Landkreises Main-Spessart hinaus sind sie im Einsatz und versprühen ihren fränkischen Charme und Witz in Gestalt der unterschiedlichsten Figuren und Charaktere. Sie blicken dabei in ihren Programmen tief in die fränkische Seele.

Die „Ehe“ von Hermann und Hermine begann vor über 30 Jahren bei der Karlstadter Karnevals Gesellschaft. Es folgten Auftritte auch außerhalb des Faschings, bei denen sie in unterschiedlichsten Figuren das Publikum mit ihrem trockenen Humor in ihren Bann ziehen und zu Beifallsstürmen hinreißen. Beifall ist ja bekanntlich das Brot des Künstlers, bei Hermann und Hermine waren und sind es manchmal schon „Bröder“, wie man in Franken die Mehrzahl dieses Lebensmittels bezeichnet. Und es dauerte nicht lange, da landete Gerlinde Heßler im Bayerischen Fernsehen. Bei Fastnacht in Franken oder mit Werner Hofmann als Hermann und Hermine beim Kabarett aus Franken und in der Närrischen Weinprobe tief unten im Stückfaßkeller der Würzburger Residenz.

Das Fränkische Fastnachtslexikon des Bayerischen Rundfunks verzeichnet unter dem Buchstaben H folgendes. Ich zitiere:
„Wer Gerlinde Heßler kennenlernt und erfährt, dass sie die „Hermine“ aus der Fränkischen Fastnacht ist, schüttelt ungläubig den Kopf. Zu krass ist der Unterschied zwischen diesen beiden Frauen. Bereits 1994 saßen Gerlinde Heßler und Werner Hofmann als „Fips und Mops“ auf der Veitshöchheimer Bühne bei „Fastnacht in Franken“ und kommentierten das Gesellschaftsleben aus Hundesicht. Danach erntete Gerlinde Heßler als Möchtegern Weinprinzessin „Silvana“ großen Beifall. Im Jahr 2000 erschien sie als „Klatschreporterin Mirabella von der Gass“ auf der Bühne. Ab 2004 überraschte sie das Publikum in wechselnden Hermine-Rollen im Saal. Mal als Garderobenfrau, als Fußballfan, als Golferin, als Walkerin. Wobei sie spontan auf die Politiker reagierte, allerdings nicht immer zur Freude der Angesprochenen. 2011 erschien sie wieder mit Werner Hofmann, in einem „Schreibbüro.“ Mit ihm moderierte sie auch dreimal die „Närrische Weinprobe“ im Staatlichen Hofkeller zu Würzburg.“ Zitat Ende. Wie es sich für einen Unterfranken gehört, sind die beiden sowohl in ihrer Paraderolle als Hermann und Hermine als auch im richtigen Leben echte Schoppenfetzer.

Gegenseitige Spitzen sind bei den Auftritten als Hermann und Hermine wie in so mancher richtigen Ehe an der Tagesordnung. Was sich liebt, das neckt sich. So entlockt Hermine mit ihrer rot-weißen Bekleidung als personifizierter „fränkischer Rechen“ Hermann die Anmerkung, dass „fränkischer Drachen“ wohl passender wäre. Apropos Kleidung, die spielt natürlich bei den beiden eine große Rolle. So schlüpfen sie immer wieder in unterschiedliche Kostüme jeweils passend zur Jahreszeit und zum Anlass. Wobei Hermann eine Vorliebe für enge „Kittele“ zu haben scheint.

Gerlinde Heßler besitzt das große, angeborene Talent, aus vielen Situationen spontan etwas Witziges herauszuholen, oft auch mit Hilfe des einbezogenen Publikums. Ihr Erfindungsgeist und ihr Einfallsreichtum entlockt dem Alltäglichen die komische Note. Viele Zuschauer finden sich mit ihrem eigenen Leben auch in überspitzten Darstellungen wieder. Gerlinde Heßler und Werner Hofmann ergänzen sich dabei hervorragend. Er greift ihre Pointen auf, verdreht Sätze und Situationen und setzt damit wieder neue Lacher im Publikum. Hier haben sich zwei typisch fränkische Originale gesucht und gefunden. Gerne geben sie bei Auftritten außerhalb ihrer Heimatstadt kund, dass sie „aus Karscht“ kommen. Sie werden so auch zu Werbebotschaftern ihrer schönen Heimatstadt Karlstadt, um die sich Werner Heßler aber bei seinen Auftritten auch manchmal sorgt, befürchtet er doch, dass in „Karscht“ bald die Lichter ausgehen. Als Beispiel führt er an, dass vor einigen Monaten das legendäre Turmkaufhaus geschlossen hat. Welch ein Verlust, war dieses Kaufhaus mit seinem breiten Sortiment doch eine wahrhafte Fundgrube für alle Bedürfnisse und Kundenwünsche. Es gab nichts, was es nicht gab, so dass auch so manches komplette Bühnenoutfit mit allen Accessoires dort problemlos zu finden war.

Da kann die Stadt ja nur von Glück sprechen, dass sich Gerlinde Heßler und Werner Hofmann seit 2010 selbst in den Tourismus in Karlstadt eingeklinkt haben mit ihrer Spezial-Stadtführung in Kostümen unter dem Titel „Durch Karscht gezerrt mit Hermann und Hermine“. Sie (ver)führen dabei die Besucherinnen und Besucher mit trockenem Humor und fränkischem Dialekt. Die Führungen enden dann immer – dreimal dürfen Sie raten wo – natürlich in ihrem zweiten Wohnzimmer, im Theater in der Gerbergasse, wo die beiden auf der Bühne dann noch einen drauf setzen. Dieses Theater darf man als kulturelles Kleinod und Aushängeschild für Karlstadt bezeichnen. Der Höhepunkt und die bislang aufwändigste Inszenierung der hier agierenden Theatergruppe war im Jahr 2000 die Aufführung des Theaterstückes „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal anlässlich der 800-Jahr-Feier der Stadt Karlstadt in den Hauptrollen mit Werner Hofmann als „Jedermann“ und Gerlinde Heßler als der „Tod“. Wie erfolgreich die Gruppe mit vielen Protagonisten auf und hinter der Bühne nach wie vor agiert, zeigt sich schon daran, dass alle 9 noch ausstehenden Vorstellungen des derzeit laufenden Stückes ausverkauft sind. Kurz vor Weihnachten folgt dann noch das seit Jahren beliebte kabarettistische Feierwerk mit dem diesjährigen Titel „DerWeinglüht“ mit Gerlinde Heßler, Werner Hofmann und zwei Bekannten aus der „Fastnacht in Franken“, die bei der letzten Sendung Abschied genommen haben, Marion Mahlo und Bernd Werkmeister von den Parodis. So, das war´s jetzt aber mit dem Werbeblock für das „Karschter“ Theater in der Gerbergasse.

Aufgrund ihrer herausragenden Leistungen auf kulturellem Gebiet wurde Gerlinde Heßler und Werner Hofmann vor einigen Jahren auch vom Karlstadter Stadtrat der Kulturehrenbrief verliehen. Bei der Verleihungsfeier verriet Werner Hofmann übrigens auch das Lebensmotto von Hermann und Hermine, ich zitiere: „Man muss auch mal auf ein Opfer verzichten können.“

Der Grafiker und Maler Werner Hofmann hat sich auch selbst ein malerisches Denkmal gesetzt am „Haus der Fränkischen Fastnacht“. Auf der Fassade des Hauses Bahnhofstraße Nr. 13 in Veitshöchheim sind auf einer Länge von 28 Metern zahlreiche Figuren zu sehen, die „Fastnacht in Franken“ bundesweit bekannt gemacht haben. Ob Waltraud und Mariechen, Sebastian Reich und Amanda, ob Altneihauser Feuerwehrkapelln, Peter Kuhn oder Michl Müller, alle sind sie hier von Werner Hofmann auf die Fassade gemalt worden. Und Hermann und Hermine? Gerlinde Heßler lehnt locker über einem Fenster und Werner Hofmann, der Maler selbst, hat sich übergroß über dem Gefängnisgitter verewigt, als Weingott Bacchus, mit einem Rotwein in der linken Hand und dem Schlüssel zum Gefängnis in der Rechten.

Touristen wie Einheimische bleiben immer wieder stehen vor dem Haus Bahnhofstraße Nr. 13 und bewundern die Stars der Fränkischen Fastnacht, die Ihnen aus dem Fernsehen wohlbekannt sind. Und übergroß dabei Hermann und Hermine, alias Werner Hofmann und Gerlinde Heßler, unsere unterfränkischen Gewürfelten 2017.

Liebe Frau Heßler, lieber Herr Hofmann,
herzlich willkommen Sie beide im erlauchten Kreis.

DR. PAUL BEINHOFER
Regierungspräsident von Unterfranken