Auszeichnung: 2001 – Bad Windsheim
Laudatio
Der Besitzer des Frankenwürfels muss nicht Mitglied in zahlreichen Verbänden, kein redegewandter Politiker oder erfolgreicher Geschäftsmann/- frau sein. Er muss eigentlich »nur« ein Franke, aber eben ein typischer Franke sein.
Was ist ein typischer Franke? Er muss drei Eigenschaften haben, die heute selten geworden und damit einer Auszeichnung würdig sind: Er muss wendig, witzig und widersprüchlich sein. Ein schlauer und aufgeweckter Mensch also, der sich im Leben auskennt und uns allen etwas zu geben hat. So heißt denn auch die Inschrift des Frankenwürfels: »Sich wenden, sich drehen, im Leben bestehen«.
Die oberfränkische Gewürfelte des Jahres 2001 heißt: Frau Franziska Schumm. Wir ehren Sie heute, liebe Frau Schumm, für Ihr »Lebenswerk« in dem Sinne, dass, wie das eben bei einem gewürfelten Franken so ist, wir nicht wissen, welche Ihrer Eigenschaften, Schriftstücke und Leistungen nun eigentlich die Herausragendste ist. Sie sind sozusagen ein »Gesamtkunstwerk«: Der Name Schumm steht in Oberfranken zunächst für Dichtung in Mundart. Sie haben inzwischen sechs Mundart-Bände in »Hirschaiderisch« herausgegeben. Es sind dies: »Mei Weihnachtsgschicht «, »So wor’s hold und so is«, »No und«, »Ich man halt«, »a blanka Muttä« und »So a Zeuch«.
Aber das ist nur eine Seite Ihres facettenreichen Lebens und Wirkens, auf die ich gleich noch einmal zurückkomme. Wenn man sich so anschaut, wie Sie in Ihrem Leben bisher gewirkt haben, dann würde jede einzelne ihrer Leistungen schon einen spannenden Lebenslauf abgeben: sechs Kinder haben Sie, fünf Töchter und einen Sohn, zwölf Enkelkinder und darüber hinaus haben Sie acht Jahre lang ein farbiges Pflegekind in Ihre Obhut genommen. Aber »a blanka Muttä« (frei übersetzt: einfach eine Mutter oder bloß eine Mutter) waren Sie nie. Vielmehr, so scheint es jedenfalls, haben Sie das bisschen Haushalt, die Kinder und alles was dazugehört, fast »nebenbei« geschafft. So, wie Ihr Gedicht auch endet: »a blanka Muttä nebnbei«. Einiges will ich herausgreifen:
Im katholischen Frauenbund Hirschaid waren Sie 18 Jahre lang 2. Vorsitzende, gründeten eine Sing- und Spielgruppe und leiteten diese 20 Jahre lang. 1999 wurden Sie deshalb Ehrenmitglied. Als Referentin für kreatives Gestalten waren Sie bei vielen Lehrgängen des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege dabei. Bei der Volkshochschule Bamberg-Land waren Sie von 1967 bis 1983 als Dozentin tätig und leiteten in dieser Zeit 83 Kurse für Werken und im Bereich der Hauswirtschaft. Im Jahre 1972 waren Sie anlässlich der bayerischen Kommunalwahlen maßgeblich an der Gründung, der »Liste der Frauen« beteiligt. Dabei handelte es sich um die erste reine Frauenliste bei einer Kommunalwahl in der Bundesrepublik Deutschland. Von 1986 bis 1992 gehörten Sie dem Markgemeinderat in Hirschaid an und wurden bei Ihrem Ausscheiden mit der Bürgermedaille in Silber geehrt. Dem Pfarrgemeinderat Hirschaid dienten Sie ebenfalls als Mitglied und 2. Vorsitzende. Nahezu endlos könnte man diese Reihe fortsetzen. Eine wendige Frau also.
Besondere Freude bereitete Ihnen – und damit komme ich wieder auf die Künstlerin Franziska Schumm zurück – die Pflege der Hirschaider Mundart. Erst 1999 gestalteten Sie zusammen mit dem Bamberger Vokalquartett eine CD mit dem Titel »Fränkische Weihnacht«. Sie moderierten beim Bayerischen Rundfunk bisher 14 Sendungen der Reihe »Am Abend in der Stubn« und verhalfen dem »Hirschaiderischen« dadurch zu einer Bekanntheit weit über die Landkreisgrenzen Bambergs hinaus. Wir haben herausbekommen, dass Sie bereits im zarten Alter von vier Jahren auf den Stuhl stiegen und Ihrer Familie Gädichtla aufsagten. Wenn man sich Ihre »Gschichtla und Gädichtla «, die Sie in sechs Bänden herausgegeben haben, so durchliest – und ich habe es mit großer Freude getan – so begegnet einem oft die amüsante und witzige Seite, mit der Sie z.B. die Zeit Ihrer Kinder-, Jugend- und Familienjahre wieder lebendig werden lassen. Das berührt.
Aber dennoch: von einer Glorifizierung der heilen Welt, getreu dem Motto: »Früher war alles viel besser«, ist bei Ihnen nichts zu spüren. Vielmehr spricht aus Ihren Texten eine Lebensklugheit, Beständigkeit: Anschaulich, wie es eben nur im Dialekt möglich ist, beschreiben Sie ganz alltägliche Dinge wie das Waschen, Kochen, Kindererziehen. Belanglos? Nein! Gerade in Zeiten wie diesen – wir wissen alle nicht, welche Auswirkungen das derzeitige weltpolitische Geschehen auf uns alle haben wird – brauchen wir Dinge, die verlässlich sind, die uns Sicherheit und Halt geben. Ein Stück Normalität also. Uwe Herms, ein Stipendiat des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg, hat es kürzlich bei einer Pressekonferenz sinngemäß so formuliert: »Wir brauchen Schrauben, die die Welt zusammenhalten «. Diesen Halt geben Sie, verehrte Frau Schumm, in Ihren Texten. Sie vermitteln uns ein bodenständiges Wertebewusststein und wirken damit auch unmittelbar für unsere oberfränkische Heimat.
Die wenigsten Menschen jedoch werden durch Erfahrung klüger, noch seltener fröhlich und lebensfroh. Sie sind hiervon eine prachtvolle Ausnahme. Eine witzige und widersprüchliche Frau. Liebe Frau Schumm, in diesem Sinne sind auch wir Ihrem »Großvadä heit nuch dankbör«, dass er Ihnen das Dichten vererbt hat (Gedicht »Mei Großvadä«, in »a blanka Muttä«, Seite 13).
HANS ANGERER
Regierungspräsident von Oberfranken